Der Zauber von Urgrossmutter’s Erbe

Manche erstellen Businesspläne ehe sie sich selbstständig machen. Nicht so Mélanie Ulli. Bei ihr ist es einfach passiert. Aus einem spontanen Bauchladen-Weihnachtsverkauf ist Schritt für Schritt ein Unternehmen geworden: die Biennoiserie. Eine Erfolgsgeschichte mit Partner Martin Traber in der Rolle des Beraters, Unterstützers und Feinschmeckers.

Am Anfang war die Urgrossmutter und ihre Caramels. „Sie verschenkte sie immer zu Weihnachten“, erzählt Mélanie Ulli, ihre Nachfahrin, mit leuchtenden Augen: „Wir warteten jeweils sehnlichst darauf.“ Das Rezept für die süsse Leckerei blieb zum Glück nicht das Geheimnis der alten Frau. Längst hatte sie es an ihre Tochter und die wieder an ihre weitergegeben, und auch Mélanie wurde von ihrer Mutter früh in die Kunst der Caramelproduktion, bei der das Rühren eine zentrale Rolle spielt, eingeführt. „Ich weiss noch gut, wie ich von dem selbstgemachten Caramel manchmal etwas mit in die Klasse nahm“, sagt sie: „Manche Kameradinnen und Kameraden von damals erinnern sich heute noch daran.“

Nach Abschluss der Schule lernte Mélanie Konditor-Confiseur. Heute, viele Jahre später, ist sie zurück in der Branche – als ihr eigener Chef – und sagt: „So fühle ich mich wohl und kann es machen, wie ich es gut finde, auch menschlich.“ Unter dem Namen Biennoiserie produziert sie Caramel und Macarons in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Im April diesen Jahres eröffnet sie zusammen mit ihrem Partner Martin Traber und Jérémy Chevreton von Casdal in der Bieler Altstadt ihren eigenen Laden.

Caramel aus dem Kinderwagen

Allerdings: von langer Hand geplant war das so nie. Alles hat sich Schritt für Schritt ergeben – beginnend mit einer Weihnachtsaktion im Dezember 2010, als Mélanie und ein paar Freunde in der Marktgasse eine Jurte aufstellten. Die Eine schenkte Glühwein aus, die Andere bot Chai an, ein Dritter verkaufte warme Hüte – und Mélanie zum ersten Mal öffentlich ihre Caramels nach Urgrossmutters Rezept. Die kamen gut an, so gut, dass Mélanie schon im nächsten Winter wieder auf dem Bieler Weihnachtsmarkt ihr Handwerk feilbot. Mit einem einfachen Korb in den Händen standen sie und Martin in dem grossen weissen Zelt in der Marktgasse, angegliedert an den Stand eines befreundeten Marktfahrers, der Videospiele und Seifen anbot. Der Verkäufer gegenüber hatte Schwerter à la Herr der Ringe, Totenköpfe und keltisch angehauchte Waffen in der Auslage. „Ja das waren noch Zeiten“, sagt Martin: „Wir mussten uns wie richtige Marktschreier aufführen, um bemerkt zu werden.“

Drei Jahre lang ging das so – ein Experiment mit ungewisser Zukunft aber immer deutlicher werdendem Entwicklungspotential. Mal präsentierten die beiden Zuckerbäcker Caramels in neuen Geschmacksrichtungen, mal erste Macarons, dann das ganze Angebot in einem im Brocki gekauften Kinderwagen von 1850 und schliesslich von dessen Form inspiriert unter dem heutigen Schriftzug mit dem markanten B am Anfang.

Sie zieht, er rückt zu recht

2013 dann entschied Mélanie: wir mieten eines dieser Weihnachtsmarkthäuschen für 2500 Franken. Sie bereitete von jeder Sorte Caramel eine grosse Portion vor – macht neun mal zwölf Säckchen – und dazu 100 Maccarons. Am Abend des ersten Tages stand noch ein Säckchen in der Auslage. „Da hab ich gleichzeitig gelacht und geweint“, erzählt sie. Mit solch einem Erfolg habe nie und nimmer gerechnet. Entsprechend stand eine lange Nacht der Nachproduktion auf dem Programm. Mélanie rief umgehend Mutter, Schwester und Freundinnen an. Das läuft noch heute so, wenns irgendwo brennt. Mélanie zieht den Karren, prescht vor; macht auch einfach mal, statt lange zu überlegen. Dann spannt sie Helferinnen und Helfer ein, die das Ganze entscheidend mittragen – allen voran ihr Partner Martin, der sich selbst als „Mann im Hintergrund“ bezeichnet. „Ich lege Hand an, wo nötig, putze, baue um, poste auf Facebook und rücke zurecht. Mein Ding sind die Details, egal ob beim Logo, beim Marktstand oder bei der Präsentation der Produkte.“ Auch ist Martin der Feinschmecker der beiden, der zu jeder Tages- und Nachtzeit probieren muss, wenn Mélanie ein Caramel oder Macaron in einer neuen Geschmacksrichtung kreiert hat. Dann zählt sein Feedback. Sie wiederum weiss, wie eine allfällig nötige Anpassung zu bewerkstelligen ist. Manchmal ist es aber auch umgekehrt, wie beim Marktstand marke Eigenbau. Da hatte sie die Idee, er setzte sie handwerklich um. „Wir ergänzen uns in vielerlei Hinsicht optimal“, sagen beide.

Abenteuer eigener Laden

Auch beim neusten Coup spannen Mélanie und Martin zusammen. Sie haben die Altstadtbäckerei in der Untergasse übernommen. Eigentlich hatte Mélanie ja nur nach einer externen Küche Ausschau gehalten, weil sie mit der Produktion zu Hause an Grenzen stiess. Bei dem, was sie fand, gab es einen Laden gleich noch dazu – aber auch Arbeit bis zum Abwinken. Acht Wochen lang hätten sie im Herbst geputzt und alte Maschinen aus der Bäckerei entfernt, erzählen die beiden. Nun stehen bis zur Eröffnung im April noch bauliche Massnahmen an. „Die Biennoiserie bekommt damit eine richtige Basis und wird auch das Jahr hindurch sichtbar“, freut sich Mélanie und hofft, mit dem Laden ein zweites festes Standbein nebst den Weihnachtsmärkten aufbauen zu können. Gross kalkulieren und Erwartungen formulieren mag sie aber nicht. Einfach mal machen und dann schauen was zurückkommt, ist ihr Credo – wie damals, als klein Mélanie Margritli pflückte und zu kleinen Sträussen gebunden an Freunde und Nachbarn verkaufte. Sie schätzte offenbar schon damals die Unabhängigkeit.

Janosch Szabo

 

www.biennoiserie.ch
Laden an der Untergasse 28