Animons les espaces vides ! Denn Leerraum nützt uns nichts

Die Bieler JUSOs wollen zusammen mit anderen Parteien und Kulturschaffenden nicht-gewinnorientierte, soziale und kulturelle Projekte durch Zwischennutzungen fördern. Vor rund einem Jahr wurden knapp 2’800 Unterschriften eingereicht, welche dieses Anliegen bekräftigen Ein Mitglied des Initiativkomitees gibt Einblick in den Entstehungsprozess der Initiative und einen Überblick über den aktuellen Stand.

«Jede fünfzehnte stimmberechtigte Person in Biel muss unterschreiben», sagte einer meiner Genossen, der gerade die Bieler Stadtordnung durchscrollte, und schluckte schwer. Einen kurzen Moment schauten wir uns unsicher an–eine Gruppe von sieben Bieler JUSOs in der Eldorado-Bar, Anfang 2016. Wir waren motiviert, wir wollten etwas verändern und wir hatten uns in den Kopf gesetzt, dafür eine städtische Initiative zu lancieren. Uns allen war klar: Das wird ein Riesenprojekt. Über 2’000 gültige Unterschriften in nur sechs Monaten, davor ausserdem die ganze planerische und inhaltliche Arbeit mit Initiativtext, Argumentarium, Umsetzungskonzept, Abklärungen mit der Stadt, Unterstützung anderer Organisationen und Parteien, Medienarbeit,… Offensichtlich haben wir uns trotzdem dafür entschieden.

Im April 2017 lancierten wir unsere Zwischennutzungsinitiative «Leerraum beleben!». Ihre Kernanliegen sind einöffentliches Register von leerstehendem Raum auf Bieler Boden, eine Meldepflicht von Raum ab drei Monaten Leerstand und eine städtische Stelle, die aktiv nicht-gewinnorientierte Zwischennutzungen fördert und vermittelt. Wir standen einen Sommer lang mehrmals pro Woche auf der Strasse, sprachen mit Menschen über Leerstände, kulturelle und soziale Projekte und deren Wichtigkeit für diese Stadt. Wir diskutierten, weshalb Raum leersteht, weshalb «der Markt»das eben nicht regelt. Wir warfen Fragen nach der Gerechtigkeit von Eigentumsverhältnissen auf, wollten Menschen zum Denken anregen: Wer entscheidet über die Nutzung eines Raums und mit welcher Legitimation? Wem sollte der Raum eigentlich gehören? Denjenigen, die es sich leisten können? Irgendeinem börsenkotierten Unternehmen? Oder nicht viel eher denjenigen, die den Raum wirklich nutzen, brauchen und eben auch auf ihre Art und Weise beleben?

Wir verteidigten die Meldepflicht von leerstehendem Raum, die unsere Initiative beinhaltet und kassierten dafür Schelte von Hauseigentümerverband und Bürgerlichen: Wir würden mit der Initiative die Eigentumsfreiheit verletzen, «Klassenkampf im Kleinen betreiben», und sowieso sei das Ganze juristisch nicht zulässig. Wir bedankten uns daraufhin für den Klassenkampf-Kommentar –wenn die Bürgerlichen die Zähne zu zeigen beginnen, haben wir sicherlich etwas richtig gemacht. Wir lächelten, als ein juristisches Gutachten Anfang diesen Jahres bestätigte, dass die Kernanliegen unserer Initiative so wichtig seien, dass ein allfälliger Eingriff in die Eigentumsfreiheit mehr als nur gerechtfertigt sei und die Initiative grösstenteils für gültig erklärte.

Nun befinden wir uns in Verhandlungen mit der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat. Denn bevor der Stadtrat über unsere Initiative diskutiert, soll ein Reglement ausgearbeitet werden, das definiert, wie die Kernanliegen umgesetzt werden könnten. Je nach Ausgang dieser Verhandlungen und der Diskussion im Stadtrat im Frühsommer 2019 wird über die Initiative oder das Reglement im Oktober 2019 abgestimmt werden –oder aber, das Reglement ist auch nach der Stadtratsdiskussion noch links genug, sodass wir d’accord sind und unsere Initiative zurückziehen. Wir sind gespannt auf die nächsten Monate, hoffen auf die Kooperation des Gemeinde- und Stadtrats und gegebenenfalls auf eine Zustimmung an der Urne. Immerhin hat mehr als jede*r fünfzehnte Stimmberechtigte die Kernanliegen der Initiative ja schon mal für wichtig und richtig befunden.

Muriel Günther ist Mitglied des Initiativkomitees und Vorstandsmitglied der JUSO JS Bielingue. Sie arbeitet aktuell für die SP-Kampagne gegen die Anti-Menschenrechts-Initiative der SVP, die am 25. November zur Abstimmung kommt. Daneben versucht sie seit geraumer Zeit ihren Bachelor im Kommunikationswissenschaft und Medienforschung abzuschliessen.

Viel Leerstand in Biel

In der Stadt Biel stehen aktuell über 700 Wohnungen leer (300 mehr als in Zürich), was einem Leerwohnungsbestand von 2,43% entspricht.

Die Stadt Bern verfügt im Vergleich dazu über eine Leerwohnungsziffer von gerade einmal 0,44%. Weitere Leerstände von Gewerbeflächen in der Innenstadt (bspw. leerstehende Ladenflächen) sind offensichtlicher Weise ebenfalls zur Genüge vorhanden. Zusätzlich verfügt Biel über eine lebendige Vereins- und Kulturszene, in der Wille zu Engagement, aber kaum finanzielle Ressourcen vorhanden sind.

Die Zwischennutzungsinitiative „Leerraum beleben!“will diese beiden Faktoren verbinden, um die Lebensqualität für die Bieler Bevölkerung und das sozio-kulturelle Engagement zu fördern.

 

Biel beleben – animons Bienne

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