Der Baum in der Pizza

Bei Bäumen denken wir in der Regel an die grünen Riesen in Parks oder Alleen, vor der Haustür oder in Feld und Wald. Aber es gibt noch andere Bäume, die unseren Alltag heute wesentlich mitbestimmen: Ölpalmen. Deren Anbau in Südostasien und zunehmend auch in Afrika zerstört die Umwelt und die Lebensgrundlagen zahlreicher Menschen. Eine Auslegeordnung.

Es steckt in der Schokolade, im Waschmittel, im Shampoo, im Kuchenteig, in der Fertigpizza und in fast jeder Kerze: Palmöl ist inzwischen das meistkonsumierte Pflanzenöl weltweit. 10 bis 20 Prozent aller Produkte, die wir hierzulande im Supermarkt kaufen, enthalten Palmöl. Das ergab eine Umfrage von „Brot für alle“ bei Schweizer Grossverteilern im Sommer 2017. In der Lebensmittel-, Kosmetik- und Reinigungsmittelindustrie scheint Palmöl heute alternativlos zu sein. Warum?
Palmöl ist ein enorm vielseitig einsetzbarer Rohstoff. Das Öl ist lange haltbar, kann bei unterschiedlichen Temperaturen verarbeitet werden uns ist geschmacksneutral. Im Vergleich zu anderen Ölpflanzen ist die Ölpalme zudem äusserst ertragreich.
Derr Siegeszug des Palmöls ist sehr eng verbunden mit der Zunahme industriell gefertigter Nahrungsmittel. Alleine der Schweizer Konzern Nestlé kaufte im Jahr 2015 gemäss eigenen Angaben rund 4200 Tonnen Palmöl – knapp ein Prozent der globalen Produktion. Und nicht zuletzt hat die Förderung von Pflanzenölen als Ersatz für herkömmliches Benzin in der EU die Nachfrage noch mal kräftig erhöht. Mit der Idee verbesserter Nachhaltigkeit von Brennstoffen hatte die EU 2009 nämlich eine Beimischquote von 10 Prozent Biotreibstoffen zu den fossilen Brennstoffen festgelegt. Das Problem: diese Agrotreibstoffe werden oft auf Flächen angebaut, die bis dahin für die Ernährung der Bevölkerung verwendet wurden. Mit anderen Worten landet in unseren Autotanks, was eigentlich der Ernährung der Menschen dienen sollte. Aus diesem Grund wurde 2012 die Beimischquote auf 5 % gesenkt, um diesen Effekt zu vermeiden, es gibt ihn jedoch noch immer.

Monokulturen und Sklavenarbeit

Was aber ist genau das Problem mit der Ölpalme? Es gibt einige: Ölpalmen gedeihen nur in tropischen Regionen gut, sie brauchen Hitze und regelmässig viel Regen. Der tropische Gürtel um den Äquator ist jedoch just das Gebiet, in dem Regenwälder mit einer hohen Biodiversität gedeihen und als CO2-Speicher eine lebenswichtige Rolle spielen und wo indigene Völker im und vom Wald leben und Menschen das üppige Buschland seit jeher nachhaltig für ihren Lebensunterhalt nutzen.
Rund 85 Prozent der globalen Palmölproduktion stammen aus Malaysia und Indonesien. Mit der Devise der «Wirtschaftsförderung» verkaufen oder verpachten Regierungseliten dort den Palmölkonzernen das Land zu Tiefstpreisen und sind nicht selten selber an einem der grossen Palmölkonzerne beteiligt. Die Angestellten auf den Plantagen schuften oftmals zu Hungerlöhnen und setzen beim Einsatz der vielen Pestizide ihre Gesundheit und teilweise gar ihre Leben aufs Spiel. Wo früher Regenwald stand und einer grossen Vielfalt an Tieren und Pflanzen eine Heimat bot, stehen heute Ölpalmen, soweit das Auge reicht. Weil eine weitere Ausdehnung auf den Inselstaaten zunehmend schwierig wird und in jüngster Zeit massiv in die Kritik geraten ist, suchen Palmölkonzerne nach neuen Expansionsmöglichkeiten in Afrika und Lateinamerika. Der steigende Palmölkonsum ist damit zu einer der wichtigsten Ursachen für den fortschreitenden Ausverkauf von Land an Grosskonzerne und Investoren – meist Land Grabbing genannt –  und damit für die Verdrängung der lokalen Bevölkerung von ihrem Boden geworden.

 

Nachhaltiges Palmöl ist ein Etikettenschwindel

Dass die Produktion von Palmöl massive Probleme mit sich bringt, wissen auch die Firmen, die damit handeln, es verarbeiten und Palmölprodukte verkaufen. Auf Initiative des WWF haben deshalb 2004 Palmölproduzenten sowie Akteure der Produktionskette den Runden Tisch für Nachhaltiges Palmöl RSPO gegründet. Ziel des RSPO mit Sitz in der Schweiz ist es, Palmöl so anzubauen, dass Mensch und Umwelt nicht mehr zu Schaden kommen. Sassen anfänglich noch relativ viele Nichtregierungsorganisationen mit am Tisch, haben sich die meisten inzwischen enttäuscht zurückgezogen. Mit gutem Grund: Bis heute tolerieren die RSPO-Kriterien die Abholzung von Regenwäldern, die Zerstörung von Torfmooren und den hohen Pestizideinsatz. Auch die verbreitete Zwangs- und Kinderarbeit auf den Plantagen wird nicht geahndet. Kommt hinzu, dass der RSPO weder über wirksame Kontrollen noch über effiziente Sanktionsmechanismen zur Durchsetzung seiner Nachhaltigkeitskriterien verfügt.

Nichtsdestotrotz halten die Grossverteiler Migros, Lidl und Aldi, aber auch Schokoladehersteller wie Lindt und Sprüngli oder der Grosskonzern Nestlé, am Palmöl fest mit dem Verweis, dass sie lediglich Palmöl aus nachhaltigem Anbau (also RSPO-zertifiziert) verwenden. «Das Label ist zu einem Instrument der Gewissensberuhigung für Konsument/innen und zum Reputationsschutz für Firmen in Europa und den USA geworden», machten daher auch zahlreiche Schweizer NGOs Anfang Februar 2018 in einer Stellungnahme deutlich.

Grund für die Stellungnahme waren übrigens die seit längerem andauernden Verhandlungen der Schweiz für ein Freihandelsabkommen mit Malaysia, bei dem Palmöl eine zentrale Rolle spielt. Käme das Abkommen zustande, würde der Preis für das aktuell noch mit hohen Importzöllen belegte Palmöl noch tiefer und die Nachfrage noch grösser. Die Folge wäre, dass sämtliche lokale Palmölalternativen wie Raps- oder Sonnenblumenöl keine Chance mehr hätten, konkurrenzfähig zu bleiben. Eine Koalition von zahlreichen Schweizer Nichtregierungsorganisationen, zu denen auch Brot für allegehört, sowie Bauernorganisationen versuchen deshalb, das Abkommen mit intensiver Lobbyarbeit zum Fallen zu bringen.

Öffentlicher Druck zeigt Wirkung

Dass die Arbeit der Zivilgesellschaft durchaus Früchte trägt, zeigt der jüngste Entscheid von Coop. Der Grossverteiler hat Anfang Juni bekannt gegeben, Palmöl bei Eigenprodukten wo möglich durch andere Öle zu ersetzen und wo nicht möglich, konsequent eine kleinbäuerliche Lieferkette mit Fair Trade und Bio-Palmöl aufzubauen. Coop hat sich zu diesem Schritt entschieden, weil die Palmöl-Problematik durch zahlreiche NGO-Kampagnen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit geraten ist und nachdem Brot für alle und Fastenopferim Herbst 2017 12‘500 Unterschriften gesammelt haben mit der Forderung an die Grossverteiler, möglichst auf Palmöl zu verzichten. Besonders positiv an dem Entscheid ist, dass sich Coop dabei auf die neu erarbeiteten Biopalmöl-Richtlinien von Bio-Suisse stützen wird, die das Prädikat nachhaltig auch wirklich verdienen. „Die neuen BioSuisse-Richtlinien sehen vor, dass das Palmöl nur in Betrieben mit beschränkter Betriebsgrösse produziert werden darf, dass auf den Betrieben die Biodiversität gefördert wird und kein LandGrabbing stattgefunden hat“, sagt Miges Baumann, Leiter Entwicklungspolitik von Brot für alle, der mit Coop im Gespräch zu neuen Beschaffungskriterien gestanden hat.

Und auch die Palmölgegner im Süden haben einen ersten Sieg erreicht. So hat eine NGO von indonesischen Anwälten beim Schweizer OECD-Kontaktpunkt eine Klage von zwei Dörfern in West-Kalimantan (Borneo) gegen den „Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl“ (RSPO) eingereicht, der seinen Sitz in der Schweiz hat. Aufgabe des OECD-Kontaktpunkte ist es, Fälle von Multinationalen Unternehmen mit Sitz in der Schweiz zu behandeln, bei denen Menschenrechte und Umweltschutzbestimmungen verletzt wurden. Die indonesischen Dörfer werfen dem RSPO vor, die Einhaltung seiner Kriterien nicht durchzusetzen und so Land Grabbing für Palmölplantagen ermöglicht zu haben. Im Juni hat der OECD-Kontaktpunkt nun bekannt gegeben, die Klage anzunehmen und zu behandeln.

Konsum ohne Palmöl und saubere Lieferketten scheinen seit jüngstem also durchaus wieder zu einem gangbaren Weg zu werden. Doch es hängt auch von uns als Konsumentinnen und Bürger ab. Nur wenn auch wir bereit sind, unseren Teil dazu beizutragen (vgl. Kasten), indem wir auf Produkte mit Palmöl verzichten, regionalen, saisonalen und Fair Trade- Produkten den Vorzug geben und uns als Zivilgesellschaft gegen problematische Auswüchse wie denjenigen des Palmöl-Booms wehren, ist wahre Veränderung möglich.

Pascale Schnyder arbeitet bei der Nichtregierungsorganisation Brot für alle, die sich seit Jahren mit Information, Konsumentenkampagnen und politischer Arbeit gegen die Verbreitung von Palmöl wehrt.

Hier steckt Palmöl drinn

  • Schokolade: Palmöl wird in der Schokolade als günstigere Alternativen zu Kakaobutter verwendet, was bei Schokolade-Brotaufstrichen (Nutella), günstigen Tafelschokoladen und insbesondere bei Schokoriegeln wie Mars, Snickers, oder Kägi Fret zum Zug kommt.
  • Kerzen: Laut Aussagen von Coop und WWF Deutschland sind Kerzen für mindestens 30 Prozentdes Palmölverbrauchs im Non Food Bereich verantwortlich.Eine Alternative bieten Bienenwachskerzen oder Anbieter, die sich auf palmölfreie Kerzen spezialisiert haben wie www.biocandela.de
  • Margarine und Backwaren: Palmöl ist ein wesentlicher Bestandteil vieler Margarinen und so auch in Broten und insbesondere in Backwaren (Kuchen, Teige, Guetzli) enthalten – auch in Bioprodukten. Biopalmöl ist zwar auf jeden Fall besser als herkömmliches Palmöl, da keine Pestizide eingesetzt werden. Das Problem, dass dafür grosse Landflächen verwendet werden, die der lokalen Bevölkerung dann fehlen, bleibt jedoch bestehen. Mit Ausnahmen: es gibt Labels (wie z.B. Allnatura), die Biopalmöl nur auf Flächen anbauen, die bereits zuvor landwirtschaftlich genutzt wurden.
  • Wasch- und Reinigungsmittel: Ein wesentlicher Bestandteil von Wasch- und Reinigungsmitteln sind Tenside und Laurinöl, die vorwiegend aus Palmöl und Kokosöl gewonnen werden. Entsprechend enthalten die meisten Wasch- und Reinigungsmittel Palmö Leider ist es oft nicht erkennbar, da in der Regel eines der rund 500 Palmöl-Derivate verwendet wird. Licht ins Dunkel bringt teilweise die Code Check-App. Palmölfreie vegane Reinigungsmittel stellt die Luzerner Firma Good Soaps her: www.good-soaps.ch
  • Pizzas und Fertiggerichte: Ein grosser Teil von Fertiggerichten (z.B. Pizzas, Fertigsuppen und -saucen, Kuchenteige, Salatsaucen etc.) enthalten Palmöl, welches die Konsistenz der Produkte verbessert und ihre Haltbarkeit erhöht.

Was kann ich tun?

Palmöl ist in der Lebensmittelindustrie sowie in Kosmetik- und Körperpflegeprodukten extrem verbreitet. Hier ein paar Tipps, wie sie Palmöl vermeiden können.

  • Frische saisonale und regionale Produkte kaufen: Palmöl wird vor allem in industriell gefertigten Lebensmitteln verwendetJe mehr Du Dich von frischen, regionalen und saisonalen Produkten ernährst, desto kleiner ist der Anteil an Palmö
  • Genau hinschauen: Seit 2016 sind Lebensmittelhersteller verpflichtet, Palmöl auf der Verpackung zu deklarieren. Mach es Dir deshalb zur Gewohnheit, vor dem Kauf verarbeiteter Produkte die Inhaltsangaben zu lesen.
  • Selber machen:Kuchen-, Pizzateige und Shampoos ohne Palmöl gibt es derzeit kaum. Die Alternative dazu ist «selber machen». Das macht nicht nur Spass, sondern spart auch viel Geld und ist garantiert ö Einen riesigen Fundus an Selbermach-Ideen findest Du auf: www.smarticular.net
  • Code Check:Die Code Check App hilft Dir, dich im Dschungel der Inhaltsangaben zurechtzufinden. Durch einen Scan des Barcodes mit der Code-Check-App wird Dir unter anderem angezeigt, welche kritischen Stoffe sich in Deinem Produkt befinden. Code Check ist kritisch und unabhängig und lässt sich auf Deine persönlichen Bedürfnisse anpassen. www.codecheck.info