Prêles wird Rückkehrzentrum

In Prêles, im Berner Jura will der Kanton ein soge- nanntes Rückkehrzentrum bauen. Aber das gibt Ärger.

Am 31.5.2018 erschien im «Bund» ein Artikel über das geplante Rückkehrzentrum in Prêles. Einige Zitate aus dem Text:

«Im ehemaligen Jugendheim Prêles im Berner Jura will der Kanton Bern ein Zentrum für abgewiesene Asylsuchende einrichten, ein sogenanntes Rückkehrzentrum.»

«Diese Lösung ermögliche einen kostengünstigen Betrieb. Das Zentrum soll zwischen 350 und 450 Plätze aufweisen.»

«Der Kanton schloss das Jugendheim Prêles nur vier Jahre, nachdem es aufwändig saniert worden war. Die Institution war chronisch unterbelegt und defizitär. «

Eine Petition

Kurz nach dem «Bund»-Artikel haben über 1000 Bewohner der betroffenen Region «Plateau de Diesse – Tessenberg» eine Petition an den Regierungsrat geschickt; sie haben ihn aufgefordert, das Projekt Prêles fallen zu lassen.

Ein Rückkehrzentrum (RKZ)

Das ist die letzte Station in der Schweiz und in Europa für Menschen, die einen Asylantrag gemacht und einen abschlägigen Bescheid (Negativentscheid) erhalten haben. Im RKZ müssen sie warten, bis sie allenfalls in ihr Land zurückgeschafft werden.

Die Dauer des Aufenthalts

Wie lange sollen sie dort bleiben? Zehn Tage? Zehn Monate? Zehn Jahre oder bis zum Tod? Das ist völlig offen, die Abgewiesenen haben darauf keinen Einfluss. Viele von ihnen kommen aus einem Land, in das man sie nicht zurückschicken kann.

Die Abgewiesenen

Es sind Menschen in jedem Alter, vom Neugeborenen bis zum Greis, Männer, Frauen, Kinder. Sie sind aus vielen Ländern gekommen, wo Krieg oder gravierende Unterdrückung von Minderheiten herrschen. Viele von ihnen besitzen keine amtlichen Papiere, weder von der Schweiz noch von dem Land, das sie verlassen haben. Sie hatten kein Glück in den Lotterien von Asylgesuch und Verwaltungsgericht.

Wo die Abgewiesenen jetzt sind und wie sie leben

Heute leben sie irgendwo im Kanton Bern. Manche leben in einem Asylzentrum, manche teilen sich eine Wohnung und einige leben in Schweizer Familien oder in einer WG. Es gibt viele Kontakte zwischen der Bevölkerung und den Abgewiesenen.

Das Bieler Asylzentrum befindet sich in Bözingen, in Containern aus Metall (heiss im Sommer, sehr kalt im Winter), gleich neben der Autobahn, ein anderes Asylzentrum in Büren a.d. Aare. Die Abgewiesenen leben von der Nothilfe und haben kein Recht zu arbeiten. In Biel erhalten sie den Be- trag von 8 Franken pro Tag, den sie zu vorgegebenen Zeiten abholen müssen, sonst verfällt ihr Anspruch darauf.

In der Küche im Asylzentrum in Bözingen hat jede Person Platz für Esswaren, im Kühlschrank und auf einem Gestell; hier können sie für sich selber oder für ihre Freundinnen und Freunde kochen. Gleich daneben gibt es einen einfachen Aufenthaltsraum. Jeder und jede hat gratis einen Schlafplatz in einem kleinen Mehrbettzimmer, das den ganzen Tag über zugänglich ist. BewohnerInnen eines Asylzentrums kann man zum Essen einladen, zu einem Ausflug, zum Deutschlernen, Französischlernen. Sie öffnen dir ihre Welt, je länger je mehr, wenn sie sich dank guten Kontakten auf Deutsch oder Französisch besser ausdrücken können.

Wie sie im geplanten RKZ leben würden und was anders wäre als im Asylzentrum

Wir haben nur spärliche Informationen über das Regime, das im RKZ gelten soll. Wenn wir dazu Fragen stellen, vertröstet uns die Regierung auf später. Klar scheint, dass fast alles anders sein wird als in einem Asylzentrum.

In den folgenden Punkten stützen wir uns hauptsächlich auf das neuste offizielle Dokument zur Neustrukturierung des Asyl- und Flüchtlingsbereichs im Kanton Bern (Zu finden unter dem Suchbegriff «Projekt NA- BE», auf www.gef.be.ch).

Das Regime in Prêles wird voraussichtlich unmenschlich sein, aus folgenden Gründen

  • Der Betrieb wird vom Migrationsdienst der Kantons Bern selber geführt, nicht von einer erfahrenen Betreuungs-Organisation.
  • Geld soll diesen Personen offenbar keines abgegeben werden. Will man etwa zur Kleinkriminalität anregen?
  • Freies Bewegen sei meistens möglich – doch wohin denn? Zum nächsten öV-Halt ist es zu Fuss eine 3⁄4-Stunde. Zudem: mit welchem Geld sollen sich die BewohnerInnen ein Billet kaufen?
  • Die Bewegungsfreiheit kann ein- gegrenzt werden – das bedeutet, man kann den abgewiesenen Menschen vorschreiben, wohin sie gehen dürfen und wohin nicht.
  • Administrativhaft ist möglich
  • Tägliche Anwesenheitskontrolle; Sanktionen sind vorgesehen.
  • Fixe Zeiten für Essen und Nachtruhe.
  • Die Zimmer sind tagsüber nicht zugänglich. Aber das Zimmer ist vielleicht der einzige Zufluchtsort der abgewiesenen Menschen.
  • Die BewohnerInnen können nicht selber kochen.
  • Keine Freizeit-Aktivitäten und keine Sprachkurse – Alt und Jung sind verdammt zum Nichtstun, möglicherweise jahrelang.
  • Die (geschätzten 60) Kinder der Abgewiesenen sollen in Prêles von der ersten bis neunten Klasse intern zur Schule gehen – doch in welcher Sprache, mit welchen Lehrkräften, und was machen die Jugendlichen nach der neunten Klasse, wenn sie weder eine Lehrstelle noch eine wei- terführende Schule haben?
  • Gesundheitsdienst: Kleinere schwerden werden vor Ort behandelt – grosse wohl in einer Psychiatriestation, die bald notwendig sein wird, oder halt mit Schlaftabletten, Schmerztabletten, und mit Strafen?
  • Völlig unklar ist, ob und wie weit Besuche möglich sein werden – zum Beispiel von Freiwilligen, die sie seit Jahren kennen?

Man ist versucht, bei diesem geplanten Regime von «Gefängnis» zu reden, doch die Regierung spricht von einem Rückkehrzentrum, nie von einem Gefängnis. Sie will wohl vermeiden, dass Themen wie «Schutz vor Folter» oder «Menschenrechte» angesprochen werden.

Wenn ich in unserem Rechtsstaat eine Gefängnisstrafe abzusitzen hätte, müsste man mir sagen:

  • was ich verbrochen habe, das strafbar ist
  • was die minimale und die maximale Strafe dafür ist
  • was ich tun kann, um die Strafe zu verkürzen
  • wann meine Strafe ein Ende hat
  • und ich hätte einen Anwalt, der mich verteidigen könnte.

Aber den Abgewiesenen im Rückkehrzentrum werden diese Rechte verwehrt: sie haben keinen Schutz, keine Hoffnung und wissen nicht, wann das alles zu Ende ist.

Das Vorgehen des Staates soll dazu dienen, dass diese Menschen «verschwinden», wohin auch immer. Wenn sie aber über die Grenze gehen und irgendwann in einem anderen Land aufgegriffen werden, schickt man sie dank Dublin-Abkommen in die Schweiz zurück und dann wohl wieder nach Prêles.

Prêles wird Rückkehrzentrum (RKZ) – aber das gibt ÄRGER:

  • bei der Bevölkerung des Tessenbergs
  • bei Menschen, die Kontakt mit den Abgewiesenen haben; sie werden sich für ihre FreundInnen wehren.
  • In der nächsten Session des Grossen Rats kommt das Thema wieder auf den Tisch. Unter anderem wird auch nach den finanziellen Auswirkungen gefragt werden.

ÄRGER gibt es auch für die Berner Regierung. Sie hat nämlich zwei Probleme:

  • Erstes Problem: Die «Modernisierung» des früheren Jugendgefängnisses «Prêles» hat 38 Mio. verschlungen, und nun steht das Haus seit Jahren leer.
  • Zweites Problem: Es gibt im Kanton mehrere hundert abgewiesene Asylsuchende. Falls man sie wirklich ausschaffen kann, werden sie nicht mehr in Prêles leben. Manche werden gar nie in Prêles ankommen. Also wird das Haus oft halbleer stehen und statt etwas einzubringen nur neue Kosten verursachen.

Was tun Mit den Gebäuden von «Prêles – Châtillon»?

Man kann damit viel Originelleres, Kreativeres, Menschlicheres machen. Wir haben Ideen, wir arbeiten an Vorschlägen für eine sinnvollere Nutzung der Gebäude. Dazu braucht es aber Zeit und Offenheit auf allen Seiten. Es gilt auch, die Bewohner- Innen der betroffenen Region in die Überlegungen einzubeziehen und ihre Bedürfnisse zu beachten. Das ist umso wichtiger, als wir in un- terschiedlichen «Kulturen» leben: deutsch – welsch sowie Stadt – Land, und weil die Deutschsprachigen im Kanton politisch zehnmal mehr Gewicht haben als die Welschen.

Für die Abgewiesenen ohne Ausreiseperspektiven

Da wir verschiedene abgewiesene Menschen kennen, haben wir schon länger überlegt, wie ihr Problem zu lösen wäre , und zwar langfristig. Statt in «Prêles» für unbestimmte Zeit von der Gesellschft ausgeschlossen zu sein, sollten sie sich noch besser integrieren können, dort wo sie heute leben. Zudem sind wir der Ansicht, dass ihr Aufenthalt legalisiert und ihnen eine Ausbildung ermöglicht werden muss, damit sie ihr Leben durch eigene Arbeit verdienen können.

Wir haben uns Möglichkeiten der Legalisierung vorgestellt; gerne würden wir mit weiteren Personen darüber nachdenken und diskutieren.

Margrit Schöbi war Berufsberaterin bei OP Bienne/ BIZ Biel. Sie arbeitet als Freiwillige im Migrationsbereich: bei InterNido
 mit Deutschaktiv und Deutschkurs, in einer Bieler Empfangsklasse, andererseits in der Auseinandersetzung um «Prêles» und für die Legalisierung der Abgewiesenen, die nicht zurückgeschafft werden können.

Wie es weitergeht…

Die Berichterstattung über «Prêles» und die Abgewiesenen führen Margrit Schöbi und Ru- dolf Albonico in den nächsten Ausgaben und auf der Website von Vision 2035 weiter.

 

Weitere Infos :

Wir sind ein Team im Raum Biel/Bienne und Berner Jura.
Wir setzen uns für die Menschenrechte ein.
Zurzeit wehren wir uns gegen das sogenannte Rückkehrzentrum Prêles, in Prêles – Châtillon. Dorthin sollen alle abgewiesenen Asylsuchenden geschickt werden, die im Kanton Bern leben.
www.alle-menschen.ch

 

Kontakt:

info@alle-menschen.ch