Safari vor der Haustür

Neugierig sind die Kinder und voll Bewegungsdrang. Auf einem Spaziergang in der Stadt oder in der Umgebung lernen sie ihren Wohnort besser kennen, das stärkt das Gefühl, hier heimisch zu sein. Unser Autor schlägt drum vor: Nahtourismus mit Heimatkunde verbinden.

Wandern wird kurzweilig, sobald man fragend durch die Gegend zieht: Warum heisst diese Strasse so? Was stand vorher an diesem Ort? Wer hat das gemacht und zu welchem Zweck? Ist hier früher etwas Besonderes passiert?

Nur die Erwachsenen können solche Fragen beantworten. Oft sind sie jedoch überfragt, weil sie selber nichts darüber wissen. Man kann kein Wissen weitergeben, das man nicht hat. Aber: Man kann sich informieren!

Lokale Wanderführer 

Schon in den 1990er-Jahren hat der Kinderfreundeverein Biel Entdeckungsspaziergänge herausgegeben in der Form von Faltprospekten. Diese sind längst vergriffen, wurden jedoch auf den heutigen Stand gebracht und können nun digital als pdf-Datei gratis bezogen werden (siehe Randspalte). Bis jetzt wurden fünf Routen ausgearbeitet, alle sind mit dem ÖV erreichbar:

  • Durch die Klus von Rondchâtel (Reuchenette – Bözingen)
  • Dem Stadtrand entlang (Biel Nord-Ost)
  • Über den Bözingenberg
  • Auf den Spuren der Eisenmacher  I (Plagne – Vauffelin)
  • Auf den Spuren der Eisenmacher II (Péry)

Weitere Strecken sind „under construction“.

Zum Beispiel: Dem nördlichen Stadtrand von Biel entlang

Der kleine Wanderführer mit Karte zeigt die Route, beschreibt den Weg und gibt Hinweise auf bemerkenswerte Punkte.

Ohne den Hinweis auf Merkpunkt 2 ginge man glatt an diesem Findling vorbei, denn er liegt verdeckt im Unterholz. Das Gestein fällt auf, weil es nicht mit dem hiesigen Kalkfels übereinstimmt. Heute weiss jedes Kind, dass der Koloss auf dem Rücken des Rhonegletschers vom Wallis hierhin gelangte. Seine Reise dauerte einige hundert Jahre. Vor etwa 12’000 Jahren wurde es wärmer, das Eis schmolz weg und der fremde Stein blieb hier liegen.

Geschichten erzählen, Geschichte erleben

Früher, als man dies noch nicht wusste, gab der rätselhafte Block Anlass zu allerlei abergläubischen Deutungen: Der Teufel habe ihn in einem Wutanfall hingeschleudert, und ähnliche Geschichten rankten sich um den fremdartigen Stein. Bei den Kelten hatten die erratischen Blöcke eine kultische Bedeutung. Aufgerichtet markierten sie einen Tempelplatz.

Nach früherer Auffassung verziehe sich die Seele einer gestorbenen Person in einen solchen Stein um später wieder in einen neugeborenen Menschen einzuziehen. Darum sollten Frauen, die keine Kinder bekamen, auf einem „Chindlistein“ herunterrutschen. Sie würden dann schwanger, indem sie eine Seele vom Stein abtupften.

Erzählen Sie den Kindern eine solche Geschichte, suchen Sie dann mit ihnen diesen Stein auf. War dies ein solcher Rutschstein? Buben und Mädchen werden es nicht unterlassen, auf den Block zu steigen und das Risiko einer Schwangerschaft lachend in Kauf nehmen.

Virtuelle und reale Welt unterscheiden

In der Natur erleben die Kinder die reale Welt. Sie merken den Unterschied zwischen der virtuellen Welt aus dem Smartphone und der Realität. Diese Wirklichkeit riecht, tönt und wird mit der Haut gespürt.

Es lohnt sich auch, die gleiche Wanderung zu einer anderen Jahreszeit zu wiederholen. Welcher Unterschied zwischen Sommer und Winter, zwischen Frühling und Herbst! So lässt sich auch die zeitliche Dimension wahrnehmen: Was jetzt ist, ist aus einem früheren Zustand gewachsen und es bleibt nicht so wie es im Moment ist. Die Änderung erfolgt langsam, kaum wahrnehmbar, aber stetig.

So geht Suffizienz

Wer Distanzen per Auto, Bahn oder Flugzeug zurücklegt, verpasst viel, weil die Geschwindigkeit unsere Wahrnehmung ausschaltet. Je schneller, desto weniger können wir aufnehmen.

Je weiter, umso interessanter? Ein Trugschluss! Ein Entdeckungsspaziergang in der Nähe beweist das Gegenteil: Man braucht nicht nach Fernost zu fliegen um Interessantes zu erleben. Vor der Haustür beginnt die anregende Safari.

Text und Foto:
Hans Rickenbacher, pensionierter Sozialarbeiter / Heimleiter, alt-Grossrat. Der Initiant von Geothermie-Schweiz engagiert sich für den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft und forscht im Bieler Jura nach Spuren des früheren Gewerbes, welches aus Bohnerz Eisen herstellte.

Karte:
Ausschnitt zur Wanderung am Stadtrand Biel-Nord

 

Die Entdeckungsspaziergänge

Auf der Seite der Kinderfreunde Biel gibts die verschiedenen Routen in PDF-Form zum Download –
oder per E-mail beim Autor: interprax@bluewin.ch