Spiel – ein Kinderrecht

Weshalb eine überbehütete Sicherheitskultur die Kinder in ihrer Entwicklung nicht fördert, sondern eher kleine Monster aus ihnen macht.

Kinder können ganz schön nervig sein, plötzlich verwandeln sie sich vor der Kasse während dem Einkaufen in grosse Monster. Oder sie ziehen ihre Jacken und Schuhe wieder aus, wenn alle bereit sind, das Haus zu verlassen. Später nerven sie, wenn sie meinen, sie wissen alles besser, möchten gerne selbstbestimmt gross sein und trotzdem sind sie nur «halbstark», weil sie eben doch noch abhängig von den Eltern sind. Diese Spielchen sind definitiv nicht lustig. Aber was hilft da, neben pädagogischen Ratgebern, die ganze Regale in Buchhandlungen füllen? Sollten wir vielleicht selber mal über die Bücher? 

Wie fühlen wir uns, wenn unser Raum dauernd eingeschränkt wird? Mehr Druck, mehr Autos, mehr Sicherheit führen zu immer weniger Freiraum für die Kinder. Kein Wunder kämpfen die Kinder mit allen ihnen zu Verfügung stehenden Mitteln für mehr Freiraum!

Jedes Jahr am 20. November feiern wir die UNO-Kinderrechte. Die Konvention umfasst 54 Artikel und der Artikel 31 lautet: «Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Ruhe und Freizeit an, auf Spiel und altersgemässe aktive Erholung sowie auf freie Teilnahme am kulturellen und künstlerischen Leben». Voilà! 

Auch die Erziehungswissenschaftlerin Margrit Stamm schreibt in ihrem Plädoyer für das Recht der Kinder auf das freie Spiel: «Unsere überbehütende Sicherheitskultur schadet den Kindern mehr als die Risiken, denen sie täglich ausgesetzt sind. Deshalb ist vor überdimensioniertem Schutz, unverhältnismässigen Sicherheitsvorkehrungen und übertriebener Geborgenheit zu warnen. Jedes Kind hat ein Recht auf blaue Flecken». Und trotz diesem Wissen ist es durch die gesellschaftlichen Erwartungen und räumlichen Einschränkungen schwierig, die Kinder einfach mal in Ruhe zu lassen, damit sie ihre eigenen Erfahrungen machen können. 

Ergebnisse aus der Forschung zeigen, dass Kinder, die viel spielen über bessere intellektuelle Fähigkeiten verfügen und zu ausgeglicheneren Menschen heranwachsen. Und dafür braucht es die Unterstützung der Erwachsenen, nicht nur der Eltern sondern des ganzen Bezugssystems der Kinder wie Kita, Spielgruppen usw. 

Eine kleine Unterstützung als Initialzündung für mehr Freiraum in unseren Köpfen bietet die folgende Auswahl aus dem ABC des Spielträumers Toni Anderfuhren:

DRACHE
Noch längst nicht ausgestorbene Tierart mit starken Wurzeln in fantastischen Welten.

DRECK
Erdiges Erfahrungsfeld

ERDUNG
Unabdingbare Grundlage für neugierige Zugänge zum Wissen. Sich gut fühlen, den Boden unter den Füssen spüren, im Gleichgewicht sein. So geerdet steigen Kinder gerne auf neue Herausforderungen ein, begeben sich auf Exkursionen, stellen sich Abenteuern, jagen Unbekanntem nach, spüren seine Qualitäten auf und sammeln sich alles Wissenswerte, was ihnen heute grad so in den Kram passt.

FEUER 
Feuer gibt zündende Ideen, wenn du das Feuer hüten kannst und die Flammen über Nacht nicht ausgehen, dann bist du Erwachsen.

HERZBLUT 
Kostbarer Saft mit Vergiftungstendenz in steriler Umgebung. Dient als Brennstoff für irrwitzige Touren zur Schaffung von Trauminseln der Kindheit.

LEBEN
Ist gefährlich – es birgt in sich die Gefahr, lebendig zu machen. Hans Herbert Dreiske formuliert es so: „Man sollte Kinder lehren ohne Netz auf einem Seil zu tanzen, bei Nacht allein unter freiem Himmel zu schlafen, in einem Kahn auf das offene Meer hinaus zu rudern. Man sollte sie lehren, sich Luftschlösser statt Eigenheime zu erträumen, nirgendwo sonst als nur im Leben zu Hause zu sein und in sich selbst Geborgenheit zu finden.“

MENSCH
„Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, wird ein Mensch.“ Erich Kästner

NIX TUN
In hoher Qualitätsstufe schwierig zu lernen. Mit sich selber im Einklang zu leben ist anspruchsvoller als sich zu langweilen. Gärzeit.

PFÜTZE
Pfützen sind Lern-Oasen mit erstaunlich grosser Anziehungskraft auf wilde Kinder, Schabernack treibende Banden und allerlei Müll, der spielerisch auf all seine Qualitäten untersucht wird. Pfützen gelten als unplanbare Qualitäten von Spielräumen und Schulhöfen. Erwachsene Anstrengungen zu ihrer Ausmerzungen scheitern glücklicherweise häufig.

RESPEKT
Gesunder Abstand zu Unbekanntem.

RISIKO
Grundlage für Abenteuer

SCHLECHTES WETTER
Gratis Dienstleistung für Matsch-Spielaktionen. Verhindert Sonnenbrand und lässt Erwachsene gerne drinnen

SPINNEN 
Uralte Technik mit hoher Anforderung an Geschicklichkeit und Konzentration. Spinnen, Spintisieren, Gedanken spazieren lassen, sie spielerisch verdrehen und weiterentwickeln.

UNSINN 
Erster oder achter Sinn der Kinder. Mit seinen experimentellen Aufforderungen ist er wichtig auf dem Weg zur Erkenntnis.

ZWECKENTFREMDEN 
Spielerische Auseinandersetzungen mit Unbekanntem. Wichtige Experimente auf Wegen zu Erkenntnis.

ZWISCHENRÄUME 
Wichtige Spielwelten für Eigenbestimmtes Da-Sein. Überall gibt es kleine feine Zwischenräume – hier beginnt das richtige Spiel.

Schaffen wir unseren Kindern mehr Freiraum und mehr Recht für das Spiel, damit die herzigen Monster nicht unseren letzten Nerv rauben!

Text:
Jacqueline Zimmermann
setzt sich ein für mehr Freiraum und Partizipation. Sie lebt mit ihrer Familie in Biel und ist immer noch ein bisschen Kind.

Illustrationen: 
Claudia Nicotra (oben) und Andreas Bachmann (im Text)

Dies ist die Überschrift – und die könnnte noch viel länger werden

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