Wann wenig sehr viel sein kann

Kürzlich habe ich bei unseren Friedenstänzen über Dankbarkeit gesprochen. Die Worte eines christlichen und buddhistischen Mönches kamen mir in den Sinn: „Dankbarkeit ist ein Gefühl, das sich einstellt, wenn dein Gefäss überfliesst“. Für ihn ist Dankbarkeit im Alltag eine wirklich gelebte Spiritualität. Als die Zuhörer ihn fragten, wie denn die armen Menschen der dritten Welt dankbar sein können, berichtete er von seinen Reisen durch Drittweltländer und dass er dort viel mehr dankbare Menschen angetroffen habe als bei uns; ganz einfach, weil ihr Gefäss kleiner ist und deshalb auch schneller überfliesst. Wir hier im Westen machen unser Gefäss immer grösser, indem wir immer noch mehr sogenannte Bedürfnisse kreieren. Unser Gefäss fliesst somit gar nie über!

Aus diesem „Mehr“ wird das, was drin ist, „weniger“. Infolgedessen brauchen wir immer wieder mehr usw. und so fort.

Wir alle kennen existenzielle Momente, wo wir am Ende unserer Kräfte sind oder jemand Nahes von uns ging und unser Gefäss ganz leer wird. Plötzlich wird dann etwas „Weniges“ ganz wertvoll. Doch wie kann ich bei dem Wenigen bleiben, wenn ich nicht grad in einer existenziellen Krise bin? Wie kann ich bei dem Vielen, das von der Aussenwelt auf mich zukommt, beim Wenigen, sprich Essentiellen bleiben? Sollte ich nicht dies und das noch wissen, darüber noch informiert sein, mich dort noch engagieren, gleichzeitig etwas für meine Gesundheit tun, meine Beziehungen pflegen und dann irgendwo ja auch noch was für mein Seelenheil tun?

Und schon werde ich müde, tue Vieles halbherzig und halblebendig und frag mich, wo meine Freude bleibt. Genau so geschieht es, dass ich vor lauter Aktivitäten mich selber nicht mehr spüre. Wenn ich mir Zeit lasse wahrzunehmen, wo mein Herz wirklich dabei ist und ich ihm dahin folge, dann kann Wenig sehr Viel sein. Wir sind das Instrument und erst wenn es immer wieder gestimmt wird, klingt es wirklich kraftvoll! Und wir müssen ja nicht alles tun! Wir sind nur eine Note in der grossen Synfonie, lasst uns das nicht vergessen. Doch ohne genau diese Note wäre die Melodie eben nicht die Gleiche!

Mariann Spörri, Villa ReNaissance: Psychotherapie, Heilarbeit über Stimme und Körper, www.touchofsoul.ch