XR besucht die Textilindustrie

Am letzten Samstag hat eine Gruppe von Extinction Rebellion die Bieler Filiale des „H&M“ besetzt und sich darin teilweise mit nackten Oberkörpern angekettet. Aber weshalb bloss?

Wer das Kleingedruckte liest, ist meist besser informiert. Bei H&M steht das Kleingedruckte auf den versteckt eingenähten Etiketten und da lesen wir z. B. immer wieder „Made in Bangladesh“.

Von Bangladesh nach Biel

Bangladesh, da war doch…! Wir, die wir auf der Zuckerseite des Planeten leben, erinnern uns mit Schrecken an die Tragödie von Rana Plaza, bei der im Jahr 2013 ein neunstöckiges Gebäude zusammenbrach und 1138 Todesopfer und über 2000 Verletzte forderte .

Rana Plaza steht dabei nur exemplarisch für eine von endlos vielen Textilfabriken, für welche der Begriff „Moderne Sklavenhalterei“ durchaus angebracht ist. Zwar hat es gemäss „Public Eye“ seit 2013 punkto Gebäudesicherheit Fortschritte gegeben, aber an der Ausbeutung hat sich kaum etwas geändert. Und H&M ist nur einer der globalen, gewinnorientierten Player der Textilbranche. Im Jahr 2017 war H&M gemäss „Public Eye“ mit einem Gewinn von 1,281 Mia. USD die Nummer 6 weltweit.

All das hängt man im Laden natürlich nicht an die grosse Glocke! Man stelle sich nur vor, H&M würde in ihren Filialen grosse „Made in Bangladesh“-Plakate aufhängen, vielleicht noch zusammen mit ein paar Fotos aus den Textilfirmen und entsprechenden Erläuterungen, unter welchen unmenschlichen, schlecht bezahlten und häufig sexistischen Arbeitsbedingungen die zumeist weiblichen Näherinnen dort angestellt sind. Wem verginge dabei nicht die Shoppinglust?

Rebellion gegen die Ausbeutung und Umweltzerstörung

Um auf die ausbeuterische Situation in der Textilindustrie hinzuweisen, haben sich am letzten Samstag AktivistInnen von Extinction Rebellion in der Bieler Filiale von H&M angekettet. Die ganze Aktion verlief gewaltfrei und ohne Sachbeschädigungen.

Um auch die sexistischen Handlungen der Textilbranche anzuprangern haben manche AktivistInnen ihren Oberkörper entblösst und Brüste und Brustwarzen mit violetter Farbe angemalt. So müssen, gemäss Pressecommuniqué von XR, beispielsweise Kambodschanerinnen oder Inderinnen in der Textilindustrie bei einer Schwangerschaft mit einer Kündigung rechnen.

Bei all dem steht die Textilbranche nicht nur für sklavenartige Arbeitsbedingungen, sondern auch für starke Umweltverschmutzungen, die Bedrohung der Ökosysteme und letztlich für ein giftiges System, dessen Symptome die globale Erwärmung und das 6. Massenaussterben sind.

Tatsächlich ist also nicht die XR-Aktion extrem, sondern vielmehr die unmenschliche, systematische und millionenfache Ausbeutung der TextilarbeiterInnen und die Zerstörung, resp. Verschmutzung der Umwelt.

Was tun?

Die Aktion von XR war nicht gegen KundInnen oder Angestellte gerichtet, sondern gegen das ganze toxische System. Trotzdem können auch wir KonsumentInnen etwas für bessere Zustände in der Textilbranche tun:

  • Nur kaufen, was wirklich nötig ist und dabei auf langlebige, möglichst biologische und faire Qualität achten.
  • Bei Schnäppchenpreisen die innere Alarmglocke erklingen lassen: Vorsicht, Ausbeutung!
  • Bereit sein, einen angemessenen Preis für Textilien zu bezahlen.
  • Eine Kleidertausch-Party organisieren.
  • Kleider flicken, oder flicken lassen, z. B. in einem Repair-Café.
  • Menschen im Umfeld über fairen und nachhaltigen Konsum informieren und sich politisch engagieren.
  • Sich einer der vielen Umweltorganisationen anschliessen, diese finanziell unterstützen (Jeder Franken zählt!) und selbst aktiv werden.
  • Am 29. Nov. 2020 für die Konzernverantwortungsinitiative stimmen.

Und nicht zuletzt sollten wir immer das Kleingedruckte lesen und uns über Mode-Labels informieren, z. B. hier:

https://www.publiceye.ch/fileadmin/doc/Magazin/2019_09_PublicEye_Magazin_Nr19__Ausbeutung_Sept19.pdf

Dann befinden wir uns wieder auf dem Weg in eine nachhaltige Textilzukunft und tragen wieder Mode, die über die ganze Produktionskette Freude bereitet und fair ist.

© Fotos: XR-Biel, Vision 2035