Unkategorisiert

5G – Blick hinter die Kulissen

Wie steht es eigentlich um die neue Mobilfunktechnologie und die dazugehörigen Antennen in Biel und schweizweit? Die beiden Autoren, die sich für einen 5G-Stop in Biel engagieren, erklären den Stand der Dinge und warum der vom Bundesamt für Umwelt erlaubte Korrekturfaktor auf die 5G-Antennen einer Erhöhung der Grenzwerte durch die Hintertür gleichkommt.

In Biel legten seit Ende 2019 insgesamt 3500 Personen Einsprache gegen Baugesuche für  5G-Mobilfunkanlagen ein. Trotz dieses massiven Protestes wurden Ende 2020 von Herrn Stadtpräsident Erich Fehr 14 Baugesuche für 5G-Mobilfunkanlagen bewilligt ! Gegen 11 dieser Bauentscheide wurde Beschwerde bei der Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern (BVD) eingelegt:

  • Mettlenweg 34
  • Aegertenstrasse 22
  • Bahnhofplatz 2b
  • Murtenstrasse 71
  • Kanalgasse 36 (Migros Neumarkt)
  • Quellgasse 27 (vorgesehener Standort: Kirchturm Epiphaniekirche bei der Leubringenbahn)
  • Freiestrasse 29  
  • Bözingenstrasse 78 (Verkehrsdepot der Verkehrsbetriebe Biel)
  • Längfeldweg 44 
  • Brüggstrasse, SBB 

Die Einsprache Zihlstrasse wurde bereits vor das Kantonale Verwaltungsgericht weitergezogen.

Die Bauentscheide für die 5G-Mobilfunkanlagen Mühlestrasse 57a, Mettstrasse 37 und Bözingenstrasse 64 wurden nicht angefochten. 

Hinzu kommen drei Einsprachen, bei welchen die Stadt Biel noch keinen Entscheid gefällt hat:

  • Vogelsang 94 (Spitalzentrum Beaumont)
  • Juravorstadt 44 
  • Brüggstrasse 6

Im Mai diesen Jahres wurde die Interessengemeinschaft IG Stop 5G Biel-Bienne gegründet und ein Konto bei der Alternativen Bank in Olten eröffnet. Dieses Konto dient dazu, einen Fonds für die Finanzierung von Verfahrens-/Gerichtskosten und Anwaltskosten bereitzustellen, um Beschwerden gegen Bauentscheide zu geplanten 5G-Mobilfunkanlagen bei der Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern (BVD) und eventuell beim kantonalen Verwaltungsgericht zu ermöglichen. Nebst den Beiträgen der Beschwerdeführenden ist die IG auf Spenden angewiesen. Dies ist eine Investition in unsere Gesundheit und unsere zukünftige Lebensqualität, die es uns wert sein sollte. 

Spenden für alle oben erwähnten Standorte (mit Ausnahme von Brüggstr., SBB und Zihlstrasse) an: IG Stop 5G Biel/Bienne, IBAN CH34 0839 0038 2118 1000 6, Alternative Bank, Olten  

Spenden für die Brüggstrasse, SBB an: IG Einsprache 5G Brüggstrasse, SBB, IBAN CH49 0839 0037 3786 1000 0, Alternative Bank, Olten

Wer eine bestimmte Beschwerde / Einsprache unterstützen möchte, bitte unter Verwendungszweck den betreffenden Standort angeben.

Stand 5G in der Schweiz

Im Rahmen einer repräsentativen Umfrage der ETH Zürich mit 7000 Teilnehmenden (Schweizer Umweltpanel. Fünfte Erhebungswelle: 5G. Befragungszeitraum: Mai – Juli 2020) sind 60 % aller Befragten der Ansicht, dass die Bevölkerung nicht ausreichend vor der Strahlung von Mobilfunkantennen geschützt wird. 40,5% geben an, dass sie am Wohnort durch elektromagnetische Strahlung belastet sind und 10,6 % erklären, elektrosensibel zu sein. Ganz offensichtlich besteht ein dringender politischer Handlungsbedarf: die Bevölkerung muss vor einer ausufernden Mobilfunkstrahlung geschützt werden. 

Eine neuere Studie der BERENIS, der beratenden Expertengruppe für nicht ionisierende Strahlung des Bundesamts für Umwelt (BAFU), belegt, dass die Befürchtungen in der Bevölkerung hinsichtlich der gesundheitsschädigenden Auswirkungen der Mobilfunkstrahlung begründet sind.

Die BERENIS stellt fest: «Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Mehrzahl der Tierstudien und mehr als die Hälfte der Zellstudien Hinweise auf vermehrten oxidativen Stress durch HF-EMF [hochfrequente elektromagnetische Felder] und NF-MF gibt. […], auch im Bereich der Anlagegrenzwerte.“ In Bezug auf Personen mit Diabetes, Immunschwächen, Alzheimer und Parkinson erkennt die BERENIS, bei diesen sei vermehrt mit Gesundheitseffekten zu rechnen, da ihre Vorschädigungen die Abwehrmechanismen inklusive der antioxidativen Schutzmechanismen des Organismus kompromittieren. Auch sehr junge und ältere Menschen können gemäss BERENIS weniger effizient auf oxidativen Stress reagieren. (Sonderausgabe vom Januar 2021 des Newsletters der BERENIS, Seite 8)

Mobilfunkantennen können folglich zu Gesundheitsschäden bei Antennenanwohnern führen. Denn oxidativer Stress führt zu diversen Beschwerden, von Erschöpfung über chronische Entzündungen bis hin zu schwerwiegenden Erkrankungen. Gemäss BERENIS kann es bereits im Bereich der Anlagegrenzwerte zu erhöhtem oxidativem Stress kommen. (Im Gegensatz zu den höheren Immissionsgrenzwerten, die im Freien gelten, gelten die Anlagegrenzwerte für Innenräume, d. h. für Wohnräume, Arbeitsplätze im Innern von Gebäuden, Schulen und Krankenhäuser sowie für Kinderspielplätze). Die Immissions- und Anlagegrenzwerte müssten dementsprechend verschärft werden.

Verfassungswidriger Korrekturfaktor

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) ignoriert jedoch offensichtlich die Erkenntnisse der eigenen Expertengruppe. Denn in der neuen Vollzugsempfehlung, die im Februar 2021 erschienen ist, erlaubt das BAFU die Anwendung eines Korrekturfaktors auf die 5G-Antennen. In der Praxis läuft das darauf hinaus, dass sich die Betreiber eine kleine Sendeleistung für die 5G-Antennen bei der Gemeinde bewilligen lassen und dann ohne neue Bewilligung sehr viel stärker senden dürfen (mit bis zu 10-facher Leistung!). Denn die Sendeleistungen der 5G-Antennen sollen neu über 6 Minuten gemittelt werden dürfen. Die deklarierte Leistung müsste dann nur noch im Mittel eingehalten werden, so dass extreme Leistungsspitzen möglich wären. Dies kommt einer Erhöhung der Grenzwerte durch die Hintertür gleich. Das BAFU steht auf dem Standpunkt, da der Grenzwert im Durchschnitt eingehalten wird, gäbe es kein Problem. Das mag wohl arithmetisch korrekt sein, aber nach dem Vorsorgeprinzip, wie es im Umweltschutzgesetz verankert ist, ist das nicht vertretbar. Diese indirekte Grenzwerterhöhung mittels Korrekturfaktor verstösst gegen das Umweltschutzgesetz und gegen die Bundesverfassung. Gemäss Umweltschutzgesetz sind die Immissionsgrenzwerte so festzulegen, dass nach dem Stand der Wissenschaft Immissionen unterhalb dieser Werte Menschen nicht gefährden (Art. 14 USG). Die Bundesverfassung Art. 74 Abs. 1 schreibt vor, dass der Bund Vorschriften erlässt, um Menschen und Umwelt vor schädlichen Einwirkungen zu schützen.

Diesbezüglich hat das Verwaltungsgericht des Kantons Bern bereits am 6. Januar klargestellt, dass ein allfälliger Korrekturfaktor zu grösseren Immissionen führen würde. Gemäss Urteil des Verwaltungsgerichtes könnte eine solche Leistungserhöhung nur in einem ordentlichen Baubewilligungsverfahren mit entsprechenden Einsprachemöglichkeiten bewilligt werden (Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern VGE 100.2021.27U, 6. Januar 2021, Ziff. 4.8). Demnach ist die neue Vollzugsempfehlung des BAFU, die eine Leistungserhöhung der 5G-Antennen erlaubt, ohne dass ein neues Baugesuch gestellt werden müsste, gesetzeswidrig. 

Inzwischen verlangen der Kanton Bern sowie die Kantone Aargau und Basel-Stadt entsprechend dem Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, dass für die Anwendung eines Korrekturfaktors ein neues Baugesuch eingereicht werden muss.

Text: Margit Jäger, Jean-Luc Bawidamann, Spaceforbiel@gmx.net

INFOBOX

INFOBOX Auf der Karte des lokalen Widerstands gegen Mobilfunkantennen und 5G wird ersichtlich, wie viele Antennen in der Schweiz von Anwohnern und Besorgten bekämpft werden (https://schutz-vor-strahlung.ch/lokaler-widerstand-gegen-mobilfunkantennen-und-5g/). (Noch) ein Einzelfall in Sachen durchschlagende Erfolgsmeldung ist dabei Oberwil bei Büren, wo sich im April bei einer Konsultativabstimmung die Stimmberechtigten mit 206 Nein- zu 187 Ja-Stimmen gegen die Erstellung einer Mobilfunkanlage aussprachen. Der bereits unterschriebene Vertrag mit der Swisscom wurde seitens der Gemeinde aufgelöst, die Bauprofile wieder entfernt. Das Dorf bleibt ein Flecken gänzlich ohne Mobilfunkantenne. Sogar der Kassensturz war für seine Sendung vom 25. Mai im Seeland vor Ort. In dem spannenden Beitrag mit dem Titel „5G-Antennen: Umstrittene Strahlen-Messung“ kommt ausserdem Rebekka Meier vom Verein Schutz vor Strahlung zu Worte. Sie schrieb schon verschiedentlich über 5G für Vision 2035. https://www.srf.ch/play/tv/kassensturz/video/5g-antennen-umstrittene-strahlen-messung?urn=urn:srf:video:371c2934-9f7a-4fef-8ffb-b75bf8c93ea0

image_pdfPDFimage_printPrint
<< Vous avez dit dans le calme ?Regio-Challenge: „Jetzt sind wir süchtig nach Öpfuringli“ >>
Teilen: