Mobilität Urbanismus

Adieu, Autovergangenheit! Willkommen Verkehrszukunft!

Wie prägt die Vergangenheit die Mobilität in der Stadt von morgen? Und was können wir tun, damit diese Zukunft uns gehört? Eines ist klar: Es braucht dringend einen Kulturwandel und einen fundamentalen Umbau des Verkehrssystems, um unsere Städte zu lebenswerten Orten zu gestalten, in denen der Mensch und nicht das Auto im Mittelpunkt steht.

Heutige Städte sind oft nicht für den massiven Autoverkehr ausgelegt, der sie prägt. Die Strassen sind zu eng für zwei Spuren und beidseitiges Parkieren. Dennoch scheinen viele Planungsmassnahmen dem ungehinderten Verkehrsfluss der Autos untergeordnet zu sein. Manchmal hat man das Gefühl, dass sich nichts ändert.

Bereits in den 1960er-Jahren wollte man dem aufkommenden und vielversprechenden Automobil um jeden Preis gerecht werden, auch wenn die über Jahrhunderte gewachsenen Innenstädte keineswegs dafür geeignet waren. Grundlegend dafür war die Charta von Athen, welche zwar schon 1933 verabschiedet wurde, aber deren Ideen vielerorts erst ab Mitte der 1950er-Jahre umgesetzt wurden. Die Charta von Athen forderte unter anderem eine funktionale Stadt ab, mit der Entflechtung städtischer Funktionsbereiche und der Trennung von Wohn- und Arbeitsgebieten. Die Planungen für autogerechtere Städte und die Tatsache, dass das Auto aufgrund der Funktionstrennung immer mehr für den Arbeitsweg genutzt wurde, haben dazu beigetragen, dass es eine immer dominantere Rolle einnehmen und zum Statussymbol werden konnte.

Gerade auf dem Land und in kleineren Agglomerationen scheint die Hürde riesig, auf das Auto verzichten zu wollen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass dort das ÖV-Angebot oftmals weder ausreichend noch günstig, flexibel, weitreichend und inklusiv genug ist. Dies führt einerseits zu einem Ausschluss von Menschen, die kein Auto besitzen oder keinen Führerschein haben, und erhöht andererseits den Druck auf die Städte durch den automobilen Pendler*innenverkehr.

Unfaire Raumverteilung

Ein weiteres Problem ist, dass die Auswirkungen des Autoverkehrs oft von der gesamten Gesellschaft getragen werden. Dies gilt sowohl für finanzielle Kosten als auch für den Raumbedarf von Autos. Durch die Ausrichtung des öffentlichen Raums auf den Autoverkehr wird dieser für andere Nutzer*innen eingeschränkt und unübersichtlich. Dies steht im Widerspruch zu den Grundsätzen der modernen Stadtplanung, die darauf abzielen sollte, gemischte und lebenswerte Stadträume zu schaffen. Es gibt keine Gleichberechtigung im aktuellen Verkehrssystem, sondern eine Privilegierung des Autos. Wir akzeptieren, dass jede*r das Auto in den öffentlichen Raum stellen darf, wo es nur herumsteht und keine Funktion hat. Und das, obwohl der öffentliche Raum in Städten knapp und wertvoll ist und eigentlich den Menschen gehören sollte – und nicht den Autos.

So hat die historische Entwicklung des Städtebaus seit dem letzten Jahrhundert zu einer dysfunktionalen Gestaltung der Städte geführt, bei der die Bedürfnisse von Autofahrer*innen über die Bedürfnisse der restlichen Bevölkerung gestellt werden. 

Unser Engagement ist gefragt

Aber es könnte auch anders sein: Wie wäre es, wenn wir morgens beim Aufwachen die Vögel zwitschern hören würden statt Verkehrslärm? Wenn wir die meisten Wege mit dem Velo zurücklegen würden, Kinder ihren Schulweg spielend bewältigen und auch ältere Leute die verkehrsberuhigten Quartierstrassen geniessen könnten? Es wäre alles problemlos zu Fuss oder mit dem Velo erreichbar, die Quartierläden würden florieren und das Quartierleben aufblühen.

Autofreie Siedlungen mit Restaurants, Kitas, Bibliotheken und Geschäften böten bezahlbaren Wohnraum. Dank Home-Office und Co-Working-Spaces würden die meisten Menschen nicht mehr täglich zur Arbeit pendeln. Stau, Lärm, Abgase und Unfälle gehörten der Vergangenheit an, und man fragte sich, warum der öffentliche Raum nicht schon früher vom Auto befreit wurde.

Für Transporte würde man geteilte Lastenräder oder Lieferdienste mit elektrischen Fahrzeugflotten nutzen. Kaum jemand besässe noch ein eigenes Auto, da der bezahlbare ÖV ländliche Gebiete im Viertelstundentakt oder auf Nachfrage erschliessen würde. In kleinen Dörfern stünden Sammeltaxis und Leihvelos an jeder Haltestelle zur Verfügung. Für die letzte Meile wäre jederzeit ein Car-Sharing-Fahrzeug bereit.

Klingt doch super – oder? Eben, die Verkehrswende beginnt nämlich in unseren Köpfen und Herzen. Jetzt müssen wir sie nur noch umsetzen. 

Abstimmungen:
Neben dem nationalen Referendum gegen den Autobahnausbau, worüber das Stimmvolk am 24. November 2024 abstimmen kann, kommen in Biel demnächst auch die Stadtklima-Initiativen zur Abstimmung. Diese wollen einen weiteren Schritt in die Verkehrszukunft machen und pro Jahr 1 % der öffentlichen Strassenfläche in Grün- und Verkehrsflächen für Fussgänger*innen und Velofahrende umwandeln.

www.umverkehr.ch
www.verkehrszukunft.ch

Text:
Nina Sommer, 38, hat in Burgdorf und Hamburg Architektur und Städtebau studiert. Seit Anfang 2024 ist sie Campaignerin bei der verkehrspolitischen Umweltorganisation umverkehR.

Grafiken: 
Luigi Olivadoti, geboren 1983, hat Kommunikationsdesign an der F+F Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich und Illustration an der Hochschule Luzern – Design & Kunst studiert. Heute lebt und arbeitet er als freischaffender Illustrator in Zürich. Mit Vorliebe für Buntstifte illustriert er Bilderbücher, Comics und vieles mehr.

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