Leben Gesellschaft

Das Geld und seine Energien

Unser Autor stellt sich vor, dass er ganz unerwartet Fr. 50’000 geschenkt bekommt, im Lotto gewinnt, erbt, was auch immer. Es kann auch 10 x mehr oder 10 x weniger sein. Auf jeden Fall überlegt er sich, wie er dieses Geld verwenden will, wofür, zu welchen Bedingungen, mit welchen Wirkungen für ihn und für andere 

 

Mehr und immer mehr

 

Zunächst: ich kann mein Geld mit dem Ziel von mehr oder weniger Rendite einsetzen. Ein ganzes Netz von Banken, Anlageberatern,  Börsen- bis zu Bitcoinspekulanten beraten mich noch so gerne. Je nachdem, wie vorsichtig ich bin, wieviel Verlustrisiko ich einzugehen bereit bin, werde ich verschieden entscheiden. Jedoch wäre die Grundmotivation immer die gleiche, nämlich das Optimum aus Rendite und Sicherheit rauszuholen. Nach Abzug von Beraterhonoraren und Verwaltungskosten werde ich einen Gewinn erwirtschaften, Profit machen. Mein Geld ist somit zu Kapital geworden, das für mich arbeitet (genauer gesagt, das andere Menschen für mich arbeiten lässt). Es ist in das anonymisierte System der Konkurrenz-Marktwirtschaft eingetreten, will zu mehr werden, wachsen, koste es was es wolle, es ist Mehrwertgeld.

 

Ich kann mein Geld auch einfach für mich, mein Wohlergehen, meine Gesundheit, meine Wellness, meine Ferien, kurz für meinen mehr oder weniger sinnvollen Konsum verwenden. Es hätte dann eine genussvolle Energie für mich. Das Geld würde mein persönliches Wohlbefinden fördern – Wohlfühlgeld.

 

Etwas zwischen Mehrwert- und Wohlfühlgeld wäre es, wenn ich zukunftsbezogene Sicherheitsüberlegungen in den Vordergrund rücke. Wenn ich zum Beispiel lebensnotwendige Gebrauchsgüter anschaffe, in (auch völlig unrentable) Sachwerte anlege oder in Ausbildung und Starthilfen für meine Kinder investiere. Da hätten meine 50’000 Franken den Charakter von Sicherheitsgeld.

 

Mit Mehrwert, Wohlfühlen und auch mit Sicherheit ist immer eine selbstbezogene Motivation verbunden: ich und/oder meine Nächsten sollen einen eigenen Nutzen haben.

 

oder immer sinnvoller

 

Doch es gibt auch sozialere Verwendungszwecke für mein Geld. Ich kann es verschenken: eine Stiftung gründen, Hilfswerken spenden, soziale Werke unterstützen, notleidenden Leuten privat unter die Arme greifen, immer ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Auch da fehlt es nicht an professionellen Organisationen, die für die saubere Verwendung meines Geldes geradestehen (Hilfswerke, Vereine, Stiftungen usw.). So wird mein Geld zu Schenkgeld.

 

Und es gibt unterstützungswürdige Initiativen und Projekte, für die ich mir überlegen kann, ob ich ein zinsloses Darlehen geben will, ob ich mich mit Geld (und vielleicht auch mit meiner eigenen Energie) für ein solches Projekt entscheiden will. Je mehr die herkömmlichen Produktions- und Verkaufsformen der rein kapitalistischen Logik unterworfen sind (Grossunternehmen, Grossverteiler), umso sinnvoller ist die unterstützende Anlage von Geld in ökologisch oder selbstverwaltete alternative Projekte. Es gibt genügend ernsthafte ‘Aussteiger’ mit kreativen Ideen, die aber das Startgeld für Betriebe nicht aufbringen können. Die kleinräumige Vermarktung von ‘sauberen’ Produkten kann gefördert werden. Oder die Verwertung von Konsumgütern wie Kleider, Möbel, Werkzeuge usw., die sonst in den Abfall gelangen. Im Transportbereich gibt es Alternativen, auch in der organisierten Nachbarschaftshilfe, im selbstverwalteten Wohnungswesen, in der Kleinkunst. Nur schon in der Region Biel bieten sich unzählige lokale Möglichkeiten (weitere sehr erfinderische Projekte finden sich auf den Crowdfunding-Plattformen). So bekommt mein Geld eine sinnvolle gesellschaftliche Wirkung, so wird aus meinem Geld Gemeinwohlgeld

 

Ähnlich ist es auch, wenn ich Geld dem Staat abliefere (oder besser: abliefern muss), der es ja für das Gemeinwohl verwenden sollte. Es ist zwar so, dass nicht nur gemeinnützige Interessen auf den Staat einwirken, sondern eben auch die stärksten Partikularinteressen den stärksten Einfluss haben und so den Sinn meines Steuergeldes etwas unterlaufen. Trotzdem kann ich die Steuern zum Gemeinwohlgeld rechnen und es auch mit Überzeugung bezahlen – Steuergeld.

 

Eine neuere Form für uneigennützige Geldanlagen sind heute auch die unterschiedlichsten Klimaprojekte: Naturschutz, Aufforstungen, Solaranlagen, Windparks, Klimakampagnen und Klimademonstrationen  – mein Geld ist zu Klimageld geworden.

 

Wenn mir am Politbetrieb etwas nicht gefällt, so kann ich mit politischen Spenden Einfluss nehmen: die (kleineren) Parteien, die Interessegruppen, die Verbände, die gewerkschaftlichen Organisationen usw. sind immer dankbar für finanzielle Unterstützung. Dann ist aus meinem Geld Lobbygeld geworden.

 

So viele Möglichkeiten (und noch weitere) habe ich, meinem Geld eine bestimmte Energie einzuhauchen. Wahrscheinlich entscheide ich mich für gleichzeitig verschiedene Formen. Und wer weiss, vielleicht steigt durch eine sinnvolle Diversifizierung meines Geldes gerade auch meine sinnstiftende Befriedigung, ja mein Glücksempfinden, ohne dass aus den 50’000 Franken mehr und mehr werden…

Text:

Göpf Berweger, (77), hat Ökonomie und Soziologie studiert und war beruflich für verschiedene NGOs in der Entwicklungszusammenarbeit tätig. Er ist Mitbegründer der Gegsellschaft für bedrohte Völker (Schweiz) und lebt seit zwei Jahren in Biel.

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