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Extremes Wetter – Lösungen gestern. Und morgen?

Bis vor fünfzehn Jahren gehörte die Juragewässerkorrektion zum obligaten Schulstoff im Kanton Bern. Wer diesbezüglich etwas verpasst oder sich noch gar nie damit befasst hat, findet im Schloss Nidau eine gelungene Dauerausstellung zu diesem technisch genialen Meisterwerk – vielseitig beleuchtet von der Vorgeschichte bis in die heutige Zeit.

Seuchen, Armut und Alkoholismus, bedingt durch die vielen Überschwemmungen des willkürlich mäandrierenden Wasserlaufs der Aare von Kallnach bis Solothurn, motivierten den Arzt Johann Rudolf Schneider aus Meienried, den Aarelauf in den Bielersee zu kanalisieren. Ein langer und beschwerlicher Weg begann. Im Gebiet von fünf Kantonen, zwei Sprachen und in einem erst 17-jährigen Bundesstaat Schweiz sollte dieses grenzüberschreitende Projekt entstehen. Finanzielle Hindernisse und Kantönligeist verzögerten über Jahre. Erst 1867 beschloss die Nationalversammlung – Schneider war selbst Nationalrat – den Beginn der Arbeiten, die schliesslich 10 Jahre dauerten. Nebst der Umleitung der Aare in den Bielersee wurden die drei Seen (Neuenburger-, Murten- und Bielersee) mit Kanälen verbunden, und die Sumpfgebiete wurden mit kleinen Kanälen entwässert. Die drei Seespiegel sanken dadurch um 2.5 Meter. Viel neues fruchtbares Kulturland insgesamt 400 Quadratkilometer – wurde so gewonnen und Nidau, das Seeländer „Venedig“, stand nun im Grünen. Pfähle uralter Pfahlbausiedlungen und der Römerweg zur Petersinsel kamen zum Vorschein. In Biel entstand die Seevorstadt.

Dennoch kam es 1910 und 1944 zu massiven Überschwemmungen. Landwirtschaft, die neue Zuckerrübenproduktion, Fischerei, Kraftwerkbetreiber, Schiff- und Bahnfahrt, sie alle verlangten einen regulierbaren, beständigen Wasserstand. 

Als bei den riesigen Überschwemmungen 1910 das Wasser vom Bielersee in den Neuenburgersee floss, forderten die Kantone Neuenburg und Waadt, das Wehr in Port zu sprengen. Die Berner antworteten: «Nume nid gschprängt! Wir können den Aargau nicht ertränken, zum Preis, dass wir im Trockenen bleiben» 

In den Siebzigerjahren entstand das neue Regulierwehr in Port, welches von Bern aus gesteuert wird. Mit viel Fingerspitzengefühl und Messungen aus dem ganzen Einzugsgebiet, werden die 25 Prozent des gesamten Schweizer Wassers, die im Bielersee zusammenfliessen, mit diesem Wehr reguliert. Die <Murgenthaler Bedingungen> sowie weitere Abkommen von 1983 regulieren die Abflussmenge bei Port. Es ist ein Akt gesamtschweizerischer Solidarität unter den Kantonen. Im Falle eines Hochwassers, wie 2005 oder letzten Sommer, soll der Schaden möglichst weiträumig verteilt werden. Der Zufluss der Emme und der Reuss in die Aare werden als Faktoren mitberücksichtigt, welche Abflussmenge in Port im Verhältnis zum Wasserpegel im Bielersee zugelassen wird. Bei starkem Hochwasser und geringem Abfluss fliesst dann das Wasser vorerst vom Bielersee in den Neuenburgersee.

Gerade nach Abschluss der zweiten Juragewässerkorrektion – man verbreiterte und vertiefte zwischen 1962 und 1973 die drei Kanäle, Hagneck-, Zihl und Bürenkanal – entstand in der wunderbaren Ebene zwischen Kallnach und Aarberg das Projekt eines interkontinentalen Flughafens für Bern. In Biel protestierten am 6. März 1972 3500 Menschen lauthals dagegen und auch in Bern wurde demonstriert. Mit Erfolg, das Projekt wurde fallen gelassen, man verlängerte als Entschädigung die Piste im Provisorium Belpmoos. Der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg, und insbesondere das preiswerte Erdöl als neuer Energieträger, welches die kostspielige Kohle verdrängte, ermöglichten einen wirtschaftlichen Aufschwung sondergleichen. Eine Konsumgesellschaft entstand, in welcher alles möglich schien oder möglich gemacht wurde. Das Auto erlebte einen Boom. General Motors errichtete in Studen ein grosses Autolager. Autobahnen wurden gebaut.

Darunter litt der Naturschutz massiv. Der Kampf für Artenvielfalt und gegen die Übernutzung der Böden durch die Landwirtschaft begann. Zurückgedrängte und regional ausgestorbene Tierarten wurden wieder in natürlichen Sumpfgebieten angesiedelt. Die Südostseite des Neuenburgersees wird deshalb heute die „Camargue“ der Schweiz genannt.

Diese und weitere Aspekte beleuchtet die Ausstellung im Schlossmuseum. Und sie wagt auch einen Blick in die Zukunft. «Wie stellen Sie sich 2050 das Seeland vor?» lautete die Frage, die verschiedenen Personen gestellt wurde.

Rolf Weingartner, Hydrologe des Geographischen Instituts der Uni Bern, spricht von «Wild West Methoden», welche aktuell bei der Bewässerung im Seeland während Trockenzeiten gelten. Er fordert ein neues solidarisches Projekt, welches die kommenden Probleme der Klimaerwärmung angehen soll. Der Bau eines Bewässerungsstollens vom Murtensee in die von vermehrter Trockenheit betroffenen Gebiete ist in Planung.

Ein Gemüsebauer meint, sein Enkel werde bestimmt neue, angepasste Anbaumethoden und neues Saatgut finden, um 2050 noch weiter erfolgreich Landwirtschaft zu betreiben.

Klare Worte hören wir von Professor Thomas Stocker von der UNI Bern, welcher massgeblich am Bericht zum Pariser Klimaabkommen von 2015 beteiligt war. „Der Wasserhaushalt wird sich mit der Klimaerwärmung stark verändern,“ sagt er: „Die Gletscher sind heute noch ein natürlicher Regulator, im Winter speichern sie Wasser und im Sommer lassen sie es ab. Durch die stark zunehmende Klimaerwärmung gehen die Gletscher aber zurück und wir werden mit mehr Hochwasservorkommnissen nach starken Regenfällen oder längeren Trockenzeiten konfrontiert sein. Der Klimawandel findet bereits statt, und ohne drastische Massnahmen wird sich das Klima um 3 Grad erwärmen. Wenn wir das 2 Grad-Ziel gemäss dem Pariser Abkommen einhalten wollen, dürfen wir keine fossilen Brennstoffe wie Erdöl und Kohle zur Energiegewinnung verwenden. Ein technologischer Umschwung auf vollkommen nachhaltige Energiegewinnung ist Bedingung. Und ein intelligenter Umgang mit dem Wasserverbrauch ermöglicht es dem Seeland auch in Zukunft der ‚Gemüsegarten der Schweiz‘ sowie ein Natur-und Freizeitparadies zu bleiben.“

Text:
Theo Hofer koordiniert die Blue Community Gruppe der reformierten Kirche Biel Bienne seit 2018. Er ist im Nordquartier der Stadt Bern aufge- wachsen, lebte dort mit seinen zwei Söh- nen, engagierte sich für den Breitsch-Träff und war von 1990 bis 1997 im Berner Stadtrat. Seit 2014 lebt er in Biel. Er ist passionierter Segler und Velofahrer.

Bild: 
Büste von Dr. Johann Rudolf Schneider, gennant auch der “Retter des Seelandes”, in der Dauerausstellung zur Juragewässerkorrektion im Schlossmuseum Nidau.

Kommentar zum Schluss

Persönlich denke ich, dass die nächste Juragewässerkorrektion dringend vor uns steht. Es wird die schwierigste, die mit den höchsten Anforderungen sein. Sie muss in unseren Köpfen geschehen! Auch im Vorgehen der Grossverteiler – Fenaco, Landi u.a.; in den Anbaumethoden der Landwirte – Düngung und Pestizide; bei unseren Einkaufsgewohnheiten. Die rücksichtslose Übernutzung der natürlichen Ressourcen – heute noch mit Millionen subventioniert muss ein Ende haben. Die Trinkwasserinitiative war ein starker Anfang, dort müssen wir weitermachen.

Die Juragewässerkorrektion - eine Meisterleistung

Die Ausstellung im Schlossmuseum Nidau ist von Montag bis Freitag von 8 - 16 Uhr geöffnet und am Samstag und Sonntag von 10 - 16 Uhr. Eintritt kostenlos. Führungen gibt es auf Anfrage.

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