Den Bieler Finanzen geht es nicht gut. Doch dieses Problem lösen wir nicht, indem wir die Stadt veröden und verlottern lassen und die Politik sich aus der sozialen und ökologischen Verantwortung zieht. Wir lösen das Problem auch nicht, indem die einen gegen die anderen ausgespielt werden. Das Komitee «Biel für alle – Bienne pour tous» setzt sich solidarisch ein für ein gerechtes Budget, das wichtige Leistungen und Angebote für die ganze Bevölkerung erhält.
Wegen Steuersenkungen für Unternehmen und der tiefen Steuerkraft hat die Stadt Biel ein Einnahmenproblem. Es besteht die Gefahr, dass das Geld fehlt, um den Service Public sowie die vielfältigen und wertvollen Leistungen und Angebote von Institutionen und Organisationen langfristig im gleichen Umfang wie heute zu bezahlen.
Der Gemeinderat schlägt nun das Haushaltsstabilisierungsprogramm «Substance 2030» vor. Bis 2026 will er Mehreinnahmen und Einsparungen von 25 Millionen Franken erreichen. Dieses Ziel hat die Consulting Firma PwC aufgrund von Annahmen und des heutigen Wissensstands errechnet. Unabhängige Zweitmeinung fehlt.
Das Massnahmenpaket umfasst eine Steuererhöhung, eine Verschlechterung der Anstellungsbedingungen für das städtische Personal sowie 160 Massnahmen mit Ausgabensenkungen, Mehreinnahmen und dem Abbau von über 50 städtischen Stellen.
Und so sieht der Plan des Gemeinderats aus:
2023 | 2024 | 2025 | 2026 | |
Steuererhöhung | 10,3 Mio. | 11,2 Mio. | 11,5 Mio. | 11,7 Mio. |
Anstellungs-bedingungen | 1,4 Mio. | 1,3 Mio. | 1,3 Mio. | 1,4 Mio. |
160 Massnahmen | 4,6 Mio. | 8,6 Mio. | 12,3 Mio. | 13,6 Mio. |
Summe | 16,3 Mio. | 21,1 Mio. | 25,1 Mio. | 26,7 Mio. |
Vorschlag des Gemeinderats schiesst übers Ziel
Im Herbst hatte der Gemeinderat noch gesagt, dass er den «Bieler Finanzhaushalt innert acht bis zehn Jahren jährlich wiederkehrend um 25 Millionen» entlasten will (Medienmitteilung vom 24.11.2021). Dieses Ziel soll nun bereits in drei Jahren erreicht werden. Dazu kommt, dass der Gemeinderat laut eigenen Aussagen nur jene Massnahmen berücksichtigt, die er beziffern kann. Es gibt also weitere Massnahmen, die auch dazu beitragen, die Finanzen zu entlasten. Wir wissen aber nicht welche. Der Gemeinderat schiesst mit «Substance 2030» über das Ziel hinaus.
Unnötiger Leistungsabbau
Dass der Gemeinderat ein Sanierungspaket für die Finanzen bringt, ist richtig. Die Frage ist, ob es das richtige Paket ist. Das Komitee «Biel für alle – Bienne pour tous» ist der Ansicht: «Nein, so nicht!».
Der Gemeinderat erklärt, dass er eine «Opfersymmetrie» zwischen Einnahmen und Ausgaben herstellen möchte: Es sollen die Einnahmen erhöht und die Ausgaben gesenkt werden. Statt einer Symmetrie der Opfer zahlen aber viele mit Substance doppelt und dreifach: Mehr Steuern, weniger Leistungen und manche zahlen zusätzlich wegen höherer Gebühren oder Kaufkraftverlust, weil die Löhne nicht an die Teuerung angepasst werden.
Wertvolle Leistungen und Angebote erhalten
Das Komitee «Biel für alle – Bienne pour tous» ist daran, die Massnahmen genauer anzuschauen. Die Informationen sind spärlich und ohne mit den Betroffenen zu sprechen, ist es oft nicht möglich, die Auswirkungen abzuschätzen. Sicher, es gibt zahlreiche Massnahmen, die unbestritten sind. So etwa Einsparungen beim Büromaterial oder Versände künftig, wo möglich, per Mail statt per Post zu machen. Auch eine Reorganisation des Fahrzeugparks ist gut tragbar, und dass das Veloverleihsystem endlich keine Unterstützung mehr von der Stadt braucht.
Es gibt aber auch Massnahmen mit einschneidenden Folgen, bei denen es sich oft nur um kleine Beträge handelt.
So will der Gemeinderat den Beitrag an den Robinsonspielplatz in Mett um 21’000 Franken kürzen und setzt damit seine Existenz aufs Spiel. Der Spielplatz bietet Freizeitangebote für Kinder an und auch Vereine können ihn nutzen. Viele Anwohner*innen sind sogar deswegen nach Mett gezogen.
Im Möösli-Quartier möchte der Gemeinderat den gesamten Beitrag von 20’000 Franken an den Quartierverein streichen. Entweder könnte deshalb der Mööslitreff nicht mehr gemietet oder der gesamte Verwaltungsaufwand müsste von Freiwilligen getragen werden. Entweder fehlt der Ort der Begegnung oder die Stelle, die der Organisation des Vereins den Rücken stärkt.
Aber auch im Sozialen drohen Abbaumassnahmen. So würden Projekte im Bereich Integration nicht mehr mitfinanziert, was z.B. das «Haus pour Bienne» treffen würde. Besonders schwer wiegt zudem die Abschaffung der SIP. Ursprünglich ein reiner Patrouillendienst im öffentlichen Raum, erfüllt sie heute viele Aufgaben, für die früher andere zuständig waren. So wurden der SIP Sicherheitsaufgaben übertragen, etwa bei der Drogenanlaufstelle Contact. Sie ist auch zuständig für die Kontrolle der Schulareale ausserhalb der Schulzeiten sowie die Prävention und Mediation in den Schulen. Fällt die SIP weg, verliert die Stadt viele wichtige Leistungen oder muss sie für viel Geld bei Dritten einkaufen.
Kürzungen sieht der Gemeinderat auch bei den unabhängigen Kunstschaffenden vor. Aktuell stehen für sie Beiträge von jährlich 400’000 Franken zur Verfügung. Wird dieser Betrag wie geplant halbiert, wäre das ein weiterer harter Schlag für die Betroffenen unmittelbar nach der Pandemie. Bereits heute können nur rund die Hälfte der Gesuche berücksichtigt werden. Mit der Kürzung würde das vielfältige Kulturschaffen in Biel massiv geschwächt. Bei den grossen Kulturinstitutionen will der Gemeinderat zwar nicht kürzen, aber er verhindert den Teuerungsausgleich.
Service Public und gute Arbeitsbedingungen stärken
Aber nicht nur Organisationen und Institutionen sind betroffen. Der Gemeinderat möchte auch den Service Public der Stadt in wichtigen Bereichen abbauen. So wird etwa die Strassenreinigung reduziert. Und wenn dann trotzdem häufiger gereinigt werden muss, müsste die Arbeit von weniger Angestellten geleistet werden. Zudem werden hier ausgerechnet Stellen im Niedriglohnsegment abgebaut. Abgebaut werden soll gemäss Gemeinderat auch beim Winterdienst und bei der Stadtgärtnerei. Dabei müsste der öffentliche Raum sicherer und vor allem naturnaher gestaltet werden. Und das Fundbüro und die Marktpolizei würden gleich ganz abgeschafft. Möglicherweise werden die Leistungen an Dritte vergeben, wodurch die Stadt die direkte Kontrolle verliert, die Arbeitsbedingungen schlechter werden und es am Ende mehr als heute kostet.
Und nicht zuletzt ist das gesamte Personal von Verschlechterungen bei den Arbeitsbedingungen betroffen. Der Gemeinderat sieht dazu vor, die Lohnentwicklung für ein Jahr auszusetzen. Gleichzeitig will er den Teuerungsausgleich für 2023 nur teilweise gewähren.
Für ein gerechtes Budget für alle
Dies sind nur einige Beispiele. Das Komitee «Biel für alle – Bienne pour tous» wird sich dafür einsetzen, dass wichtige Angebote und Leistungen für die ganze Bevölkerung erhalten bleiben und sich die Arbeitsbedingungen des Personals nicht verschlechtern. Das Komitee zählt aktuell rund 40 Organisationen und Institutionen aus allen Bereichen, dem Sozialen, der Kultur und dem Personal. Gemeinsam setzen sich die Mitglieder des Komitees dafür ein, dass der Stadtrat im Oktober das Budget 2023 und das Massnahmenpaket «Substance 2030» korrigiert und dass die Stimmberechtigten im November dem neuen Budget zustimmen.
Text:
Urs Scheuss, Anna Tanner und Cyrill Hofer koordinieren das Komitee «Biel für alle – Bienne pour tous».
Kontakt: bfa-bpt@gmx.ch
Webseite:
bielfueralle.ch und biennepourtous.ch
Titelbild (siehe oben): Jenna Calderari
Die Geschichte wiederholt sich. Schon 2015 wurde dem Stadtrat ein beispielloses Kürzungspaket vorgelegt. Das Komitee „Biel für alle – Bienne pour tous“ wehrte sich. Vision 2035 brachte dazu eine Sonderausgabe heraus.