Nachhaltigkeit Leben Natur Gesellschaft Klimawandel Brennpunkte Mobilität Urbanismus

Pionierarbeit der SBB in Biel: Rangierlok fährt nun mit Batterie statt Diesel

Im September 2022 öffnete das geschichtsträchtige SBB-Werk Biel seine Tore für zwei Tage und präsentierte erstmals die hier von Diesel- auf elektrischen Batterieantrieb umgerüstete Rangierlok Taf 200. Die Entwicklung der Lok begann vor rund drei Jahren, im Herbst 2021 legte sie die ersten Meter aus eigener Kraft zurück. Die Erfahrungen aus dem Umbau der Lokomotive werden nun auf andere Fahrzeugtypen übertragen. Interview mit Ueli Kramer, Leiter Kompetenzcenter Energiespeicher und alternative Antriebssysteme bei der SBB.

Am Tag der offenen Tür konnte ich mich von den verschiedenen Bemühungen in der Antriebsumrüstung Ihrer Spezialfahrzeuge überzeugen. Damit leistet die SBB ja Pionierarbeit auf dem Weg zum klimaneutralen Betrieb ihrer Infrastruktur. Glauben Sie, dass Ihre Innovationen bald breite Nachahmungen finden?

Einer der Gründe für unsere Aktivitäten war das Auslösen von Nachahmer-Projekten. Wir wollen, dass nun möglichst rasch ein Markt von verschiedenen Fahrzeuganbietern entsteht, unter denen wir quasi den Wettbewerb spielen lassen können, damit wir solide auf bestehenden Erfahrungen unsere Fahrzeugflotte ersetzen können. Weitere Innovationen sind unterwegs. So entwickeln wir als erste Bahn ein zentrales Batteriemanagement, mit dem wir die Ladung kontrollieren wollen, aber insbesondere auch sicherstellen wollen, dass der tägliche Betrieb zuverlässig funktionieren wird. Weiter werden wir durch die zentrale Kontrolle und Steuerung der Batterien die Lebensdauer verlängern können, was neben wirtschaftlichen Vorteilen auch einen grossen Einfluss auf die Nachhaltigkeit hat.

Was war/ist die spezielle Herausforderung der Umrüstung einer Rangierlok auf Batterieantrieb? 

Bei einem Umbau muss durch gezielte Untersuchungen zunächst sichergestellt werden, dass die Substanz der alten Lok für weitere 20 bis 30 Jahre hält. Im Gegensatz zu den Strassenfahrzeugen fahren unsere Fahrzeuge nicht nur viel anspruchsvollere Abläufe – Versetzen von x Tonnen Lasten, quasi 7x24h Einsätze in Rangierbahnhöfen etc. – sondern sind auch fünf bis zehn Mal so lange im Einsatz. Das Spezielle an einem Umbau von einem Fahrzeug sind die oft fehlenden Detailpläne und die Ungewissheit über mögliche nicht sichtbare Materialermüdungen z.B. im Bereich des Drehgestelles, Wagenkastens, etc. Dies bedeutet, dass viele Vorabklärungen nötig sind, was kostenintensiv ist.

Ist es möglich, die ganze Flotte an Spezialfahrzeugen in ihrem energetischen Antrieb umzurüsten? Braucht es für einige Typen Hybridlösungen?

Heute haben wir den Diesel und die Oberleitung als primäre Energiequellen. Für die SBB ist klar, dass der Diesel in Zukunft durch Batterien ersetzt wird und die Oberleitung weiterhin für viele Fahrzeuge die kosteneffizienteste Energieversorgung bietet. So gehen wir künftig von reinen Batteriefahrzeugen und Hybriden mit Batterien und Oberleitungsbetrieb aus. Sonderfahrzeuge wie z.B. Schneefräsen werden in absehbarer Zukunft aber mit sogenanntem paraffinischem Diesel (HVO) betrieben, mit dem wir die CO2-Emissionen bis zu 90 Prozent gegenüber dem Diesel absenken können. Dies weil der HVO für solche Anwendungen das technoökonomische Optimum bringt und eine Batterie auf solchen Fahrzeugen aus diversen Gründen wie Kosten, Alterungserscheinungen, etc. nicht ideal ist.

Die SBB ist Mitunterzeichnerin der Roadmap Electromobility 2025. Das Prestigeproject CircuBAT will ein nachhaltiges, zirkuläres Geschäftsmodell für Lithium-Ionen-Batterien aus der Mobilität etablieren. Wie kommt es voran?

Durch unsere breite und sehr gute Vernetzung sind wir auch bei CircuBAT gut involviert und informiert. Der SBB ist es wichtig, die Batterien während ihrem Lebenszyklus ökologisch und ökonomisch nachhaltig zu bewirtschaften. Wir haben bereits Erfahrungen im Second-Life-Bereich und prüfen aktuell diverse kreislauffähige Modelle. Positiv ist, dass hier regulatorisch schon viel gefordert wird, wie zum Beispiel künftig ein sogenannter «Batterypassport», der wie eine Identitätskarte einer Batterie zu verstehen ist. Die grössten Hürden liegen aktuell in der Komplexität. So muss z.B. heute für eine Second-Life-Anwendung der Verwendungszweck genau bekannt sein. Dies entspricht einem Ausblick von 10 bis 15 Jahren, was im aktuell dynamischen Umfeld schwierig ist. Daher legen wir den Fokus auf die nachhaltige Auslegung des Gesamtsystems – also keine Überdimensionierung – und die Maximierung der Lebensdauer der Batterien.

Kann man Lithium-Ionen-Batterien zu 100% wiederverwerten? 

Hier sind wir alle gefordert, egal ob es um eine grosse Lokomotiven-Batterie geht oder eine Handy-Batterie. Schon heute lassen sich Lithium-Batterien bis zu 90 Prozent recyclen, und dies wird spätestens massentauglich, wenn die ersten grossen Stückzahlen aus ihren Primäranwendungen zurückkommen. Wir sehen, dass die Batterien länger leben als gedacht, womit logischerweise das Recycling nachgelagert geschieht. Der Ablauf ist aber analog wie bei vielem anderen: Sammeln, zentral zurückführen, entladen, in die einzelnen Teile auftrennen und dann möglichst gut jedes Element reinigen und aufbereitet in den Zyklus für die Erstanwendungen zurückführen. Wichtig ist auch hier wieder die Betrachtung der möglichen Zweitanwendungen (sogenannten Second-Life-Anwendungen). Eine Batterie, die aus einem Fahrzeug herauskommt, hat meist noch eine Kapazität von 70-80 Prozent und eignet sich noch perfekt für z.B. eine Anwendung im stationären Umfeld wie ein Hausspeicher, sofern die Batterie in der Erstanwendung nicht unnötig «gestresst» wurde. Dank der auf allen Lithium-Batterien verfügbaren Datenaufzeichnung und der Überwachung via dem Batteriemanagementsystem (das «Gehirn» der Batterie) ist hier die Kontrolle bereits sichergestellt.

Text:
Alain Bopp ist Autor und Künstler, seit April 2020 in Biel, zugezogen, um zu bleiben, im Vorstand der BürgerInnen-Bewegung Passerelle und der City Card Biel Bienne, und aktiv bei der LeihBARàObjets Biu. www.alainpatricebopp.ch

Ueli Kramer nimmt teil am 1. Berner Anwenderforum Kreislaufwirtschaft 2023 am 28. März in der Aula an der Brückenstrasse 73, Bern, organisiert von Smart City Verein Bern, Prozirkula und Impact Hub Bern. 1. Berner Anwenderforum Kreislaufwirtschaft 2023 | Smart City Verein Bern (smartcity-bern.ch)

Erneuerung SBB-Werk Biel
Bis 2030 wollen die SBB klimaneutral werden. Bereits heute werden über 90% ihrer Züge mit Wasserkraft betrieben. Nun erneuern die SBB ihr 150-jähriges Werk in Biel für rund 70 Millionen Franken und rüsten ihre Spezialflotte auf umweltfreundlichere Antriebe um. Mit dieser Investition bleibt ein wichtiger Arbeitgeber der Stadt erhalten und die rund 150 Mitarbeitenden können Pionierarbeit leisten in den vielfältigen Bemühungen zur energetischen Erneuerung und Zukunft. Das SBB-Werk Biel ist das Kompetenzzentrum für Reparaturen und Wartungen von Schienentraktoren, Rangierlokomotiven, Spezialfahrzeugen und deren Komponenten. Es liegt zwischen dem Güterbahnhof und der Uhrenfabrik Omega bei der Schleuse, wo sich die Schüss in ihre drei Arme verzweigt.

image_pdfPDFimage_printPrint
<< La géothermie dans le mix énergétique suisse de demain : option ou nécessité ?
Teilen: