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Ist Biel eine seniorenfreundliche Stadt?

Alle Menschen jeder Altersgruppe sollen sich in dieser Stadt wohlfühlen. Doch ist Biel auch für Seniorinnen und Senioren eine Wohlfühlstadt? Können sie ohne Weiteres am gesellschaftlichen Leben teilhaben oder sind da Hürden? Unsere Autorin Trice Wanner ist losgezogen, um in Erfahrung zu bringen, wie ältere Menschen die Stadt erleben und wie sie sich hier fühlen. Was ihnen hier gefällt und was nicht. Welche Wünsche und Erwartungen sie haben. Was sie vermissen. Wo sie dringenden Handlungsbedarf sehen.

«Was mögen Sie an Biel – was nicht und was sollte besser werden?»

René, 87 Jahre

«Ich mag besonders den See. Ich würde mir aber dort noch mehr Sitzgelegenheiten wünschen, denn an schönen Tagen sind diese oft schon besetzt und die Distanz von der einen zur nächsten Bank ist oft zu weit für mich. Wissen Sie, ich kann nicht mehr lange am Stück gehen. Nach einer kurzen Sitzpause geht es aber bereits wieder. Das geht vielen so. In unserem hohen Alter können wir nicht mehr auf den Boden sitzen, so wie es die Jungen machen, sonst kommen wir nicht mehr rauf», schmunzelt der elegant gekleidete Herr: «Aber im Ernst, auch in der Innenstadt und Altstadt vermissen wir, die älteren Menschen, mehr Sitzbänke. Das sollte man der Stadt Biel melden. Bestimmt wären aber auch andere Altersgruppen froh darum, wie zum Beispiel Mütter mit Kleinkindern, die mit ihren kurzen Beinchen auch nicht lange laufen können. Oft gehe ich genau deshalb lieber in ein Einkaufszentrum statt nach Biel.»

Martha, 82 Jahre

«Gut finde ich, dass es viele Bushaltestellen in der Innenstadt gibt; man muss nicht lange laufen. Viele davon sind überdacht. Doch einige leider nicht. Hier mein Kritikpunkt: Es wäre wünschenswert, wenn alle Bushaltestellen in Biel wenigstens ein ‚Dach über dem Kopf‘ hätten. Noch besser: ein Bushäuschen. Wenn es ‚Katzen hagelt‘, regnet und windig ist, ist es sehr unangenehm, dort zu sitzen. Man erkältet sich so leicht, wenn man im Durchzug sitzen muss. Das Hallenbad im Kongresshaus Biel mag ich auch, denn ich schwimme leidenschaftlich gerne. Im Wasser schmerzen meine Gelenke nicht – oder kaum. Leider ist das Wasserbecken dort im Kongresshaus nicht immer so sauber, daher gehe ich nun weniger. Man sieht grüne Algen unter dem Beckenrand – und das in einem städtischen Schwimmbad! Wenn ich etwas wünschen dürfte, wäre das ein Thermalbad in Biel, welches nicht alle Welt Eintritt kostet.»

Daniel, 85 Jahre

«Etwas stört mich also wirklich sehr und zwar, dass man im Bieler Bahnhof nicht mehr mit Bargeld, sondern nur noch mit Zahlungskarten auf die öffentliche Toilette gehen kann! Das finde ich das Allerletzte und das muss geändert werden! Das nenne ich schon fast Altersdiskriminierung, denn Menschen in meinem Alter kommen nicht mehr so gut mit Karten zurecht und viele bezahlen lieber bar – wie ich. Auch mit dem Busbillett-Automaten habe ich grosse Mühe, denn ich sehe leider sehr schlecht. Ich hoffe, dass es weiterhin genug Schalter im Bahnhof Biel geben wird, wo ich Stempelkarten kaufen kann. Auch, wenn ich nun ‚gewettert‘ habe, mir gefällt es in Biel. Besonders die ‚Café Bar Hasard‘ mag ich; den feinen Kaffee und die Ambiance dort!»

Rosetta, 76 Jahre

«Die Altstadt gefällt mir sehr. Praktisch finde ich auch, dass man in Biel alles findet, was man braucht und noch mit Bargeld bezahlen kann, was sehr wichtig ist! Ich mache meine Einkäufe vor Ort, online kaufe ich nie ein, da wäre ich überfordert. Negativ: Die Ampeln wechseln leider an vielen Orten in Biel viel zu schnell auf Rot, wie zum Beispiel auch am Kreuzplatz. Das ist totaler Stress für uns Älteren! Auch, wenn man nicht stark gehbehindert ist und nur einen Stock hat, so wie ich. Also ich weiss nicht, wie diejenigen das machen, die noch schlechter gehen als ich?! Im Alter kann man oft nicht mehr so schnell gehen, das scheinen die Verkehrsplaner leider oft zu vergessen. Doch auch die werden einmal älter und merken es dann. Apropos Kreuzplatz: Das Bushäuschen dort finde ich gar nicht schön. Es sollte ersetzt oder zumindest renoviert werden! Viele scheinen dort drin ‚Dauergäste‘ zu sein, saufen und rauchen. Alles andere als behaglich. In diesem Bushäuschen sollte eine Rauch-Verbotstafel angebracht sein.»

Ursula, 73 Jahre

«Sehr gerne mache ich ab und zu eine Schifffahrt; eine Rundfahrt auf dem Bielersee. Leider kann ich mir Ausflüge nur selten leisten, da Schifffahrten und ÖV viel zu teuer sind. Senioren sollten generell mehr Ermässigung erhalten. Mit der kleinen AHV, der Doppelversteuerung, den hohen Mieten, Strom- und Lebensmittelpreisen bleibt kaum etwas übrig! Ich bin hier in Biel aufgewachsen, es gefällt mir hier – eigentlich. Früher gefiel es mir aber besser. Es hat heute zu viele fremde Kulturen in der Stadt. Das bereitet mir Unbehagen und ich fühle mich oft nicht mehr in der Schweiz. Schlimm finde ich auch, dass man hier in der Stadt kaum noch einigermassen günstigen Wohnraum findet. In den günstigen Wohnungen sind oft AusländerInnen mit ihren Grossfamilien einquartiert. Im letzten Wohnblock war ich die einzige Schweizerin und es war nie ruhig, immer war etwas. Es sollte mehr kostenfreie Beratungsstellen für ältere Menschen geben – eventuell mit finanzieller Unterstützung für Senioren in einer Notlage. Ältere Menschen haben zu wenig Hilfe und Lobby.»

Franco, 66 Jahre

«Ich gehe gerne abends in Biel mit Freunden auswärts essen. Hier hat es eine grosse Auswahl an Restaurants. Derzeit testen wir, wo es die allerbeste Pizza gibt (lacht). Seit ich pensioniert bin, möchte ich abends gerne noch mehr ausgehen oder an den See, fühle mich aber nicht immer sicher in Biel. Neulich hat sich mir eine Gruppe Jugendlicher in den Weg gestellt und sie begannen, mich anzurempeln. Es sollten viel mehr Polizisten patrouillieren. Am Tag und am Abend. Dies würde der Bevölkerung wieder ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Am Bielersee sollte es zudem mehr Lichtquellen für die Sicherheit geben. Im Sommer fehlt einfach Animation am Strandboden, damit dort mehr los ist abends. Viele Menschen mit Familie können sich Urlaub auswärts nicht mehr leisten. Abends mehr Attraktionen am Strandboden wäre auch gut für den Bieler Tourismus.»

Susanne, 75 Jahre

 «Ich vermisse mehr Bänke an Bushaltestellen. Das sollte Pflicht sein – zum Beispiel vor dem Spettacolo (Richtung Bahnhof sowie Richtung Bahnhofstrasse). Auch an den Haltestellen Brunnenplatz, Stadtpark, Zentralplatz und Orpundplatz. Wunderschön hingegen finde ich den Elfenaupark. Mein Lieblingspark! Es sollte noch mehr solche schönen Parks geben in Biel. Was mir immer Sorgen macht, sind die E-Trottinetts, welche auf dem Trottoir um die Ecke rasen und uns Betagte fast umrasen. Daher habe ich immer sehr Angst vor einer möglichen Kollision. Da scheint es offenbar noch keine angemessene Verkehrsregelung zu geben.»

Daniel, 75 Jahre

«Ich liebe den See! Das Lagolodge find ich auch sehr toll – wegen dem leckeren Bier, den besten Pommes Frites weit und breit und dem ungezwungenen Ambiente. Auf die Bieler Braderie freue ich mich auch immer und kaum ist sie vorbei, freue ich mich bereits auf die nächste», meint der rüstige Rentner in dunkelblauen Jeans und sportlichem Hemd lachend. «Einzig bei Veranstaltungen und Festivitäten scheinen es Stadt und Verkehrsbetriebe zu vernachlässigen, Umleitungstafeln so zu platzieren, dass man sie sieht und dass in genügend grosser Schrift ersichtlich ist, wo die Ersatz-Haltestellen sind. Das ist immer ein Ärgernis, weil dann manchmal nicht mal die BusfahrerInnen selber Bescheid wissen. Generell sind die Schriften auf Anzeigetafeln bei Bushaltestellen und in den Bussen viel zu klein. Akustische Durchsagen sind ebenfalls in der Regel zu leise beziehungsweise viel zu undeutlich für Senioren sowie Seh- oder Hörbehinderte.»

Monique (Alter unbekannt)

«Mir gefallen die schönen, bunten Märkte in Biel und in der Bieler Altstadt! Auch spaziere ich gerne mit meinem Hund an der Schüss entlang. Da treffe ich ab und zu vertraute Gesichter und auch Hunde (lacht). Viele sind im Alter etwas einsam; vielleicht ist man Witwe/r, die Kinder sind weiter weg, Freunde und Bekannte im ähnlichen Alter sterben weg. Neue Menschen kennenzulernen, wird im Alter schwieriger. Wenn es dann noch finanziell eng ist, kommt man erst recht nicht mehr aus dem Haus. Daher sollte die Stadt Biel diesbezüglich ältere Menschen unterstützen, Möglichkeiten schaffen und Räume zur Verfügung stellen, wo sich SeniorInnen treffen, austauschen und zusammen bei einem Stücklein Kuchen ‚käfele‘ können. Dies für ein kleines Budget und ohne Konsumzwang. Begegnungsorte, wo man ungezwungen etwas länger verweilen kann – ohne Kirche im Hintergrund. Dort könnten auch Veranstaltungen durchgeführt werden. Diese sollten möglichst kostenfrei oder höchstens auf Kollektenbasis durchgeführt werden, denn viele SeniorInnen haben wenig Geld zur Verfügung.»

Etienne, 75 Jahre

«Ich bin ein Biel-Fan. Keine Riesenstadt und doch gibt es immer viel zu sehen. Ich wohne in der Nähe von Biel, mache meine Einkäufe meist hier, da bekomme ich alles, was ich brauche. Manchmal wünschen sich meine kleinen Enkeln, dass ich mit ihnen an den See, zum Hundsmätteli, gehe. Ich habe aber starkes Rheuma. Daher bin ich sehr froh, direkt am See beim Barkenhafen parkieren zu können. Ich bin durchaus sehr dafür, dass es in Biel autofreie Begegnungszonen gibt. Aber es soll auch immer Möglichkeiten geben, mit dem Auto irgendwo in Biel parkieren zu können – gerade im Alter, wenn man abgelegen wohnt. An diese Menschen denkt man in der Regel immer zu wenig. Was ich mir wünsche? Mehr Bäume als Schattenspender sowie der Schüsspromenade entlang viele Sitzbänke, wo man zusammen ein Schwätzchen halten kann.»

Vor allem mehr Sitzbänke!

Das Wohlbefinden und die Lebensqualität der wachsenden Anzahl älterer Menschen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Die Stadt Biel, Verkehrsplaner, die Bieler Verkehrsbetriebe und Institutionen für das Alter tun gut daran, die Anliegen der älteren Menschen in Biel sowie ihre Sorgen ernst zu nehmen.

Denn: Die Umfrage hier ist zwar nicht repräsentativ, zeigt aber dennoch, was ältere Menschen bewegt und stört, was ihnen fehlt. Mehrfachnennungen der Befragten wurden nicht alle niedergeschrieben; insbesondere das Bedürfnis nach mehr Bänken in der Stadt. Diese sind ein Muss, wenn die Stadt Biel die gesellschaftliche Integration und Teilhabe aller älteren Menschen gewährleisten will. Das bedeutet auch, mehr Begegnungsorte zu schaffen, wo sich SeniorInnen regelmässig treffen und austauschen können. Es stehen in der Stadt Biel zahlreiche Räume leer (auch städtische). 

Da ältere Menschen oft eingeschränkte finanzielle Mittel zur Verfügung haben oder sogar armutsbetroffen sind, müsste das Angebot unbedingt niederschwellig sein: günstig und ohne Konsumzwang. Niemand darf ausgegrenzt werden. Zusätzlich könnten dort gelegentlich Veranstaltungen stattfinden sowie kostenlose Beratungen in Alters- und Lebensfragen ihren festen Platz haben. Die Direktion Bildung, Kultur und Sport der Stadt Biel gab schon 2016 eine Bedürfniserhebung bei älteren Menschen in Auftrag. Offenbar bestehen aber noch heute nahezu dieselben Bedürfnisse. Also ist es nun an der Zeit, zu handeln bzw. das bestehende Angebot bekannter zu machen und auszubauen.

Text und Foto: Trice Wanner, Freigeist, Lateraldenkerin mit Herz, kritisch gegenüber Propaganda, Ideologien und Meinungsdiktatur.
Ich brenne für unabhängigen Journalismus, spannende Menschen und Stimmen, natürliche statt künstliche Intelligenz.

Angebote der Stadt Biel für SeniorInnen

Fachstelle Alter:
www.biel-bienne.ch/de/fachstelle-alter.html/1654

NEU: SeniorInnen-Café
im Haus pour Bienne, Kontrollstrasse 22, Biel

Jeden Montag von 9.30-11.30 Uhr (ausser während Schulferien und Feiertagen). Kaffee und Gipfeli gratis.
Ohne Anmeldung.

Das Schweizer Netzwerk altersfreundlicher Städte

Weitere Information über Schweizer Netzwerk altersfreundlicher Städte, Städteportrait Biel:
https://altersfreundlich.net/la-ville-de-bienne/.

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