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Wo ist die Dankbarkeit geblieben?

Es muss jetzt mal auf den Tisch. Dieses ganze Weltuntergangs-Gerede und die Diskussion darum, ob es nun zehn vor, fünf vor oder gar schon zwei vor Zwölf ist, geht mir auf die Nerven. Fakt ist: es ist höchste Zeit, entschieden zu handeln, um den Kopf noch aus der Schlinge zu ziehen. Ein Kommentar zum aktuellen Fokus-Thema „Wasser“. 

Es geht hier im Grunde weniger darum, den Erdball zu retten; der wird schon bleiben und das Klima sich wohl auch wieder beruhigen, wenn er sich seiner Peiniger mal entledigt hat. An den Kragen geht es vielmehr der Menschheit. Der blaue Planet mit seinen elementaren Kräften Erde, Feuer, Luft und Wasser sendet schon länger und immer deutlicher Signale, dass er genug hat vom Zweibeiner homo sapiens, dieser einzigen Kreatur weit und breit, die seine Grenzen nicht respektiert, ihn malträtiert, ihn zupflastert, verschmutzt, vergiftet, an ihm herumkratzt, sich schonungslos und gierig an ihm bedient, ihn bis in die hintersten Winkel, höchsten Höhen und tiefsten Tiefen stört und pisakt. 

Von dem her – mal ganz universell gesehen – wäre es eine Erlösung für die Erde, wenn die Menschheit nicht mehr wäre. Das Traurige und Tragische ist nur: Auf dem Weg dorthin werden abertausende Arten, Pflanzen und Tiere mit ins Verderben gerissen, die alle nichts anderes machten und machen, als die Gegebenheiten unseres Planeten als das zu schätzen, was sie sind: ihre Lebensgrundlage. Das klingt simpel und ist doch eine Kunst. Die Kunst des sich Anpassens. 

Nur dem Menschen, dieser höchst entwickelten Spezies, scheint diese Fähigkeit abhanden gekommen zu sein. Er will Macht seiner Intelligenz alles kontrollieren, überall hin vordringen, Grenzen ausloten und überschreiten, sich niederlassen und bauen, wo es ihm passt, und seien die Umstände noch so unwirtlich. Auf der Kapverdischen Insel Boa Vista im furztrockenen Süden an einem einsamen Strand einen riesigen Hotelkomplex bauen inklusive Erschliessungsstrasse quer durch die Wüste ist purer Irrsinn und Ausdruck menschlicher Überheblichkeit. Aber real. Ich habe es – leider – mit eigenen Augen gesehen. Es gibt dort kein natürliches Trinkwasser, es regnet auf der Insel gerade mal an durchschnittlich 5 Tagen im Jahr. Alles Wasser wird mit Meerwasser-Entsalzungsanlagen gewonnen, die als energieaufwändig gelten und als Abfallprodukt problematische Salzlauge produzieren. Zudem ist dieses Leitungswasser dann für Europäer weder zum Trinken noch zum Zähneputzen geeignet. Den Touristen wird dringend Flaschenwasser empfohlen, alles vom Festland mit Schiffen herübergebracht. Auf allen Inseln der Kap Verden herrscht übrigens Wasserknappheit, der genannte Hotelkomplex auf Boa Vista ist somit nur Stellvertreter des ganzen Wahnsinns. Und apropos Meerwasser-Entsalzungs-Anlagen. Weltweit gibt es – je nach Quelle – deren Sechzehn- bis Neunzehntausend. Sie generieren laut den Aussagen eines speziailierten Ingenieurs in einem Beitrag im Wissenschaftsmagzin Spektrum von 2019 rund 100 Millionen Kubikmeter Trinkwasser täglich – und jährlich 85 Milliarden Kubikmeter Salzlauge, inklusive Chemikalien und Metalle, die dem zu entsalzenden Wasser zugesetzt werden oder aus den Anlagen erodieren. 1995 lag die Gesamtkapazität noch bei 20 Millionen Kubikmeter pro Tag. 2001 waren es 32,4 Millionen.

Aber zurück zum Mensch und den Folgen seiner Vormachtstellung auf diesem Planeten. Die Rede war von den abertausenden Tier- und Pflanzenarten, die ihm bereits zum Opfer gefallen sind. Er allein hat alles aus dem Gleichgewicht gebracht. Ihm allein sind Demut, Dankbarkeit und Respekt gegenüber der Natur fast gänzlich abhanden gekommen. Wie konnte es nur so weit kommen? Wie kann es sein, dass wir gerade mit dem Wasser so unfreundlich umgehen? Im Wissen darum, dass nichts überlebenswichtiger ist als das Wasser, wird es allernorts als Drecksarbeiter behandelt, als Alleskönner, praktisch vor allem um schmutzige Dinge verschwinden zu lassen, ob im Meer versenkt oder den Fluss heruntergespült. Wir brauchen das Wasser zum Kühlen, zum Heizen, zum Bewässern, zum Papier herstellen und Vieles mehr, zum Transportieren, zum Energie gewinnen, zum Waschenund nicht zu Vergessen auch zum Trinken. Wasser ist überall, Wasser ist Leben. Wo ist die Dankbarkeit geblieben für all das, was es uns ermöglicht? 

Die Urvölker, die Indigenen, empfinden sie noch: Demut gegenüber dem, was sie umgibt, dem, wovon sie leben. Wir alle sollten uns dringend darauf zurückbesinnen. Denn irgendwann auf den Mond oder Mars zu verschwinden, wenn es sich hier nicht mehr leben lässt, ist nicht wirklich eine Option. Das Wasser ist hier. Und es ist vielleicht der deutlichste Ausdruck von Intelligenz, wenn der homo sapiens es fertig bringt, dieser Ressource grösstmögliche Sorge zu tragen, zu seinem Wohle und dem folgender Generationen. Beginnen wir mit Dankbarkeit hier und jetzt in unserem Alltag. Wenn wir das fühlen, denken und vielleicht auch immer mal wieder bewusst aussprechen, wird das eine Wirkung zeigen. Was man liebt und schätzt, das verletzt man nicht, das beschmutzt man nicht.

Janosch Szabo ist Journalist, Quartierladenverkäufer und Inhaber einer kleinen Manufaktur für Sauerkraut, Konfitüre und anderes Eingemachtes. Die Ferien auf den Kapverden vor einigen Jahren haben bei ihm einen bleibenden Eindruck hinterlassen – vor allem hinsichtlich der Wasserthematik. Er fliegt heute nicht mehr, fährt seit jeher am liebsten Velo und ab und zu mit einem alten Ruderboot auf den See hinaus. 

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