Brennpunkte

Billig oder gut?

In diesen Tagen wird in Bern entschieden: ORS oder ABR. Eine Wahl zwischen billig und gut.    

(Freie Übersetzung aus dem Französischen von R. Albonico.)

Es geht um die Frage, welche Organisation die Asylsuchenden in der Region Biel/Bienne während der Dauer ihres Verfahrens betreut: ORS oder ABR (Asyl Biel & Region). ABR ist ein politisch und konfessionell neutraler zweisprachiger Verein, welcher 2002 als Folgeorganisation des früheren Flüchtlingssekretariats der Stadt Biel gegründet wurde. ABR ist in unserer Region gut verankert. Sie betreibt unter anderem die Durchgangszentren Bözingen und Büren und weitere. Gegenwärtig sind Non-Profit-Organisationen wie ABR, Heilsarmee und Asyl Berner Oberland (ABO) verantwortlich für Beherbergung, Integrationsförderung, Fallführung, Betreuung und Unterhalt. Diese Organisationen haben im Laufe der Jahre eine enge Zusammenarbeit mit den Sozialdiensten der Regionen entwickelt.

ORS hingegen ist eine private Aktiengesellschaft in den Händen der Londoner Beteiligungsgesellschaft Equistone Partners Europe, früher Barclays Private Equity – ein Konglomerat von 35 europäischen Investorenfirmen. ORS legt ihre Rechnung nicht offen und ist sehr zurückhaltend mit Auskünften.

„Sie hat keinen guten Ruf, die ORS Service AG. Die Firma mit Sitz in Zürich verdient an Flüchtlingen“ – so titelte die Aargauer Zeitung am 27.1.2018. Oder das Basler Regionaljournal am 02.03.2018: „Schwere Kritik an Asyl- Betreuungsfirma. Die Unterkünfte der Firma ABS seien teils menschenunwürdig. Einzelne Gemeinden haben ABS den Auftrag entzogen.“

„Es stellt sich die Frage, ob ORS Geld verdient auf dem Rücken der Asylsuchenden (und der Steuerzahler. Anmerkung des Autors), wie dies Organisationen der Flüchtlingshilfe behaupten.“ (Le Temps 13.6.2016, übersetzt)

Der Kanton Bern hat vor einiger Zeit die Asylpolitik neu definiert; das neue Konzept heisst NA-BE: Der Kanton wird in fünf Regionen eingeteilt (Bern Stadt und Umgebung, Bern – Mittelland, Berner Jura – Seeland, Emmental – Oberaargau, Berner Oberland). In jeder Region wird genau eine Organisation die Asylsuchenden betreuen. Die Bewerbungsfrist endete am 18.01.2019. Den Zuschlag erhält, wer unter anderem die folgenden, gewichteten Kriterien erfüllt: Der Preis wird mit 35 Prozent gewichtet, das Angebot betreffend Arbeitsintegration mit 30 Prozent, die regionale Vernetzung hingegen nur mit 15 Prozent, die Sprachförderung ebenfalls nur mit 15 Prozent, und die Erfahrung gerade mal mit 5 Prozent. Es ist klar, dass dieses Vorgehen die aktuellen Betreuungs-Organisationen benachteiligt: Ihre Stärken werden sehr mager gewichtet. Bevorzugt wird, wer billig ist.

Es ist nicht egal, welche Firma die Asylsuchenden betreut, denn: „Die GEF plant nicht, einzelne Angebote zur Integrationsförderung zentral zu steuern. Die regionalen Partner werden im Regelfall die entsprechenden Angebote selber aufbauen oder einkaufen.“ Die Qualität der Betreuungsarbeit, aber auch die Verbindungen zur regionalen Wirtschaft – beides wichtig für eine gelingende Integration – hängen demnach davon ab, wie viele Mittel die Betreuungsfirma dafür investiert.

Zwei Personen aus Biel/Bienne, darunter der Autor dieses Beitrags, haben dem zuständigen Regierungsrat Schnegg Mitte Dezember 2018 einen Brief geschrieben. Darin bitten Sie ihn, ORS in keiner Region ein Mandat zu erteilen: „ORS sorgt weiterhin für negative Schlagzeilen. Wir bitten Sie, vertrauenswürdigere Organisationen zu berücksichtigen, mit Personal aus der Region, regional verwurzelt und eingebunden in die regionale und kantonale Wirtschaft.

Mit Datum vom 18.Januar hat Regierungsrat Schnegg geantwortet; hier das Wesentliche aus seiner Antwort. „Gemäss dem öffentlichen Beschaffungsrecht darf kein Anbieter begünstigt oder benachteiligt werden. Im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens wird die beste Offerte bestimmt nach den Kriterien von Eignung und Qualität. Diese sind im Ausschreibungsverfahren klar definiert; alle Bewerber (ORS inbegriffen) müssen sie erfüllen.“

In diesen Tagen werden wir wissen, wie der Kanton Bern mit den ihm anvertrauten Asylsuchenden umgehen wird: Billig oder gut.

[1] https://www.gef.be.ch/gef/de/index/migration_integration/migration_integration/projekt-na-be.html

Rudolf Albonico. Der Autor ist Soziologe und Erwachsenenbildner in Biel/Bienne und Nidau. Er ist in keiner Weise verbandelt mit einer der Betreuungs-Organisationen. Engagiert in der Arbeit mit Personen mit Migrationshintergrund, weiss er, wie wichtig eine gute Betreuung von Asylsuchenden ist für deren gelingende Integration.

La suite…

Margrit Schöbi et Rudolf Albonico continueront à parler de «Prêles» et des déboutés dans les prochains numéros et sur le site Vision 2035.

Plus d̓infos :

Nous sommes une équipe dans la région de Biel/Bienne et Jura bernois. Nous nous engageons pour les droits humains. Actuellement, nous engageons contre le Centre de retour de Prêles, à Prêles – Châtillon. Il est prévu d‘y envoyer tous les demandeur-e-s d‘asyle débouté-e-s vivant dans le canton de Berne. www.tous-les-etres-humains.ch

Contact direct:

info@tous-les-etres-humains.ch

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