Der Wandel in eine nachhaltige, faire und menschliche Zukunft könnte –erstaunlicherweise – mit einer Tasse Kaffee beginnen.
Durchschnittlich drei Mal täglich wird jede Schweizerin und jeder Schweizer unwiderstehlich von der Kaffeetasse angezogen. Das ergibt einen jährlichen Pro-Kopf-Konsum von rund acht Kilogramm und damit den siebten Platz auf der globalen Kaffeesucht-Skala. Die Lifestyle- Bohne hat unser Leben erobert. Dass unser Kaffeeplausch den schlechtesten ökologischen Fussabdruck aller Getränke hat, dürfte weniger bekannt sein; ein Blick über den Unterteller hinaus lohnt sich:
Wie kommt der hohe ökologische Fussabdruck zustande?
Der ökologische Fussabdruck unseres Kaffees setzt sich zusammen aus Anbau, Transport, Verarbeitung und Zubereitungsart.
Klar, dass es nicht nur biologischer, sondern auch möglichst fair angebauter Kaffee sein sollte; am besten Kaffee, der die Nachhaltigkeitsziele gemäss Uno-Resolution erfüllt (siehe Infokasten). Damit werden die Plantagenarbeiter*innen nebst fairer Bezahlung auch beim Aufbau von Strukturen für Bildung und Gesundheit unterstützt. So trinken wir gegen die Ungerechtigkeit in der ganzen Wertschöpfungskette an.
Tatsächlich haben wir bei der Zubereitungsart unseres Kaffeegenusses einen recht grossen Einfluss auf den CO2-Fussabdruck. Das Öko-Institut in Freiburg im Breisgau hat durchschnittliche 74,9g CO2 pro Tasse errechnet, unter Berücksichtigung aller Emissionen vom Anbau bis zur Entsorgung.
Auch wenn das «Carbon Footprinting», diese Umrechnung auf eine CO2-Belastung, wegen fehlenden Standards nicht ganz unumstritten ist, kann doch folgendes gesagt werden: die energieärmsten Herstellungsarten sind mittels althergebrachtem Papierfilter oder French Press. Schon die einfachen elektrischen Kaffeemaschinen benötigen (nicht zuletzt wegen dem stromfressenden Standby- Modus) sechs mal mehr Energie. Und quasi die Krönung auf der Energiefresser-Skala sind Aluminium-Kapseln (trotz Recycling!). Das kann dann noch durch zusätzliche Wegwerfbecher getoppt werden.
Schoner vs. Container-Schiff
Beim Kaffee-Transport aus den Produktionsländern sah es bisher ganz unökologisch aus: Containerschiffe fahren mit billigstem, schwerem Dieselöl über die Weltmeere; das ist der giftigste Treibstoff, der überhaupt erhältlich ist.
Gibt es denn da keine umweltverträgliche Lösung? Diese Frage hat sich auch «Teikei» gestellt, eine Non-Profit-Organisation, mit dem Ziel der Förderung solidarischer Landwirtschaft, und hat eine beinahe märchenhaft schöne Antwort darauf gefunden: Gesegelter Kaffee.
Hier kommt nun die Timbercoast-Gemeinschaft und ein renovierter sogenannter Schoner mit acht Segeln, die «Avontuur», ins Spiel. Die Timbercoast- Gemeinschaft verschreibt sich der Wiederbelebung der traditionellen Frachtseglerei; sie weiss, dass Frachtseglerei die Reduktion von Emissionen entlang der ganzen Wertschöpfungskette ermöglicht. Sie liefert damit sowohl ein zukunftsfähiges Wirtschaftsmodell als auch eine geschichtsträchtige Antwort auf die modernen Probleme der Globalisierung.
Mit der Avontuur bot sich Teikei die Möglichkeit einer ökologischen, nachhaltigen Transportmöglichkeit. So wird seit 2019 nebst anderen Frachtgütern auch Kaffee von Mexiko nach Hamburg gesegelt, in Hamburg von Hand entladen und per Frachtrad ins Lager gebracht. Geröstet werden die noch rohen Bohnen in Hamburg, oder für den Schweizer Markt in Basel, im «Coroasting Space» von den «Kaffeemachern». Von den Röstereien wird der fertige Kaffee direkt an
die Abonnent*innen geschickt.
System change, not climate change!
So stehen die „Avontuur“ und Teikei für den dringend notwendigen ökologischen, landwirtschaftlichen und sozialen Wandel: weg von gigantischen Containerschiffen, weg von einer industrialisierten, umweltzerstörenden Intensivlandwirtschaft und weg von ausbeuterischen, Arbeitsbedingungen. Und von noch etwas müssen wir uns dringend verabschieden: von der Idee, dass alles billig sein müsste. «Billig» ist letztlich ein Etikettenschwindel, der für die Verschiebung der wahren Kosten auf andere Menschen, auf die Natur und damit auf zukünftige Generationen steht. Kaffee darf und muss einen anständigen Preis haben: damit der Kaffee in Zukunft doppelt schmeckt.
Schweiz: Kaffeeimport, -export und -handel
Die Schweiz hat gemäss der Eidgenössischen Zollverwaltung im Jahr 2019 insgesamt 83’819 Tonnen Kaffee im Wert von 2,5 Milliarden Franken exportiert (Quelle: Zentralplus, 28.4.2020). Das ist ein Mehrfaches der Käse- und Schokolade-Exporte und gleichzeitig neuer Jahres-Rekord.
Die Schweiz spielt auch im globalen Kaffeehandel eine zentrale Rolle, haben doch einige der weltweit wichtigsten Händler ihre Niederlassung in der steuerlich attraktiven und innerhalb Europas zentral gelegenen Schweiz. Es wird geschätzt, dass 60 bis 75 Prozent des globalen Kaffeehandels über die Schweiz laufen; präzise Zahlen sind nicht verfügbar.
Dok-Film über den wahren Preis der Frachtschifffahrt:
https://catalogue.education21.ch/de/seeblind-cargos
https://www.moviepilot.de/movies/seeblind-der-wahre-preis-der-frachtschifffahrt
Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen
Diese Ziele sollen für alle Menschen ein Leben in Würde sicherstellen, unseren Planeten schützen sowie den Frieden und das Wohlergehen fördern. Die Nachhaltigkeitsziele wurden von allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen angenommen, also auch von der Schweiz ratifiziert. Siehe Vision Nr. 25, S. 15.Die 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDG): https://www.education21.ch/de/17-sdg