Fast vier Jahre lang hat das Parlament um die Konzernverantwortungsinitative gerungen, bis sich die Konzernlobby im letzten Moment doch noch durchgesetzt hat. Nun liegt es an der Schweizer Bevölkerung, Menschenrechten und Umweltschutz doch noch zum Durchbruch zu verhelfen.
Nun also ist es so weit. Nach vier Jahren politischem Hickhack, das schon fast epische Ausmasse angenommen hat, kommt die Konzernverantwortungsinitiative doch noch vors Volk. Zu «verdanken» ist dies in erster Linie der Obstruktionspolitik gewisser Kreise rund um die Wirtschaftsverbände Economiesuisse und Swissholdings und ihren Steigbügelhaltern im Bundeshaus – mit Justizministerin Karin Keller Suter (FDP) und Ständerat Ruedi Noser (FDP) an vorderster Front. Mit gezieltem Lobbying sowie Falschaussagen und Ränkespielen, die weit über herkömmliche politische Prozesse und die Grenzen des guten Geschmacks hinausgehen, ist es ihnen gelungen, den breit abgestützten Gegenvorschlag im Boden zu versenken. Der Vorschlag, der von den beiden Nationalräten Hansueli Vogt (SVP) und Karl Vogler (CSP) lanciert worden war, hätte trotz einiger Abstriche den Kern der Initiative aufrechterhalten und damit den Rückzug der Initiative möglich gemacht. Doch genau diesen «Kern» scheuen die Konzernlobbyisten wie der Teufel das Weihwasser: Das Prinzip, dass gegen einen bei uns beheimateten Konzern und seine Tochterfirmen im Ausland hierzulande Klage eingereicht werden kann. Und zwar dann, wenn Konzern oder Tochter gegen Menschenrechte und internationale Umweltstandards verstossen und nicht nachweisen können, dass sie ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen sind. In vielen Ländern sind Klagemöglichkeiten bereits heute gang und gäbe.
Stattdessen brachten Keller Suter und ihre Entourage in einer sehr unüblichen Aktion eine zahnlose Alternativvariante zum vom Nationalrat portierten Gegenvorschlag in die Diskussion ein, der von Konzernen nichts anders forderte als das Veröffentlichen von Hochglanzbroschüren (offiziell: Berichterstattungspflicht). Diesen Gegenvorschlag «light» hat eine so genannte Einigungskommission nach dem Unentschieden im Pingpong zwischen National- und Ständerat am 4. Juni hauchdünn angenommen. Damit bleibt für die Initianten nur noch der Weg der Volksabstimmung, um den Schutz von Menschenrechten und Umwelt einen effektiven Schritt weiterzubringen.
Ohne verbindliche Regeln passiert nichts
Ich arbeite seit fast zwanzig Jahren bei Menschenrecht und Entwicklungsorganisationen und ich habe verschiedene solche Hochglanzbroschüren von Konzernen in den Fingern gehabt. Sie lesen sich wie Werke von Philanthropen, denen es nicht um Rohstoffe und Profit geht, sondern um Wohlergehen und Entwicklung der ärmsten Länder. Und sie stehen im krassen Gegensatz zu allem, was meine ArbeitskollegInnen jeweils erzählen, wenn sie von ihren Reisen in den Kongo, nach Liberia oder Sierra Leone zurückkehren. Ihre Erzählungen handeln von Vertreibungen, von vergifteten Gewässern und Dörfern, in denen es sich vor lauter Staub nicht mehr atmen lässt. Von Gewalt an Frauen, unmenschlichen und gefährlichen Arbeitsbedingungen und Gewalt durch Sicherheitskräfte gegen diejenigen, die sich gegen die Verletzungen ihrer Rechte wehren. Jahr für Jahr veröffentlichen wir und andere NGOs Berichte über Schweizer Konzerne, die solche Missstände an die Öffentlichkeit bringen. Gewisse Konzerne geloben Besserung, andere drohen oder ziehen gar gegen die Organisationen vor Gericht. An der Misere der Männer, Frauen und Kinder vor Ort ändert sich trotz allem nur wenig.
«Es braucht Gesetzte, die die Unternehmen zu einem anderen Verhalten zwingen», erzählte mir Soeur Nathalie, Ordensschwester und Juristin, anlässlich ihres letztjährigen Besuchs in der Schweiz. Seit Jahren setzt sie sich gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung durch globale Rohstoffkonzerne in der Demokratischen Republik Kongo ein, auch vor Gericht. «Doch auf unsere lokale Justiz können wir uns nicht verlassen», sagt sie. Lösung gibt es für sie nur eine: Internationale Gerechtigkeit.
Was in der EU geht, sollte auch in der Schweiz möglich sein
Genau diese Internationale Gerechtigkeit will die Konzernverantwortungsinitiative. Denn sie fordert letzten Endes nichts anderes als die Umsetzung der Uno-Leitprinzipien für Menschenrechte und Wirtschaft, an deren Erarbeitung sich die Schweiz zynischerweise überaus aktiv beteiligt hatte. Während Frankreich ein entsprechendes Gesetz bereits verabschiedet hat, hat die EU im April mitten in der Corona-Krise beschlossen, 2021 ein Gesetz für eine Sorgfaltsprüfungspflicht mit Sanktionsmechanismus in die Vernehmlassung zu schicken.
(ZT) Die Unterstützung wächst
Doch auch in der Schweiz hat sich in den letzten Jahren einiges getan, auch wenn es noch nicht zum politischen Durchbruch oder gar einem konkreten Gesetz gereicht hat. Die Unterstützung für die Konzernverantwortungsinitiative zieht sich inzwischen quer durch die Bevölkerung genauso wie die orangenen Fahnen, die vom Mendrisiotto bis ins tiefe Emmental an Gartenzäunen und Hausmauern hängen. 300 Lokalkomitees engagieren sich für die Initiative. Mehr als 160 Vertreterinnen und Vertreter von BDP, CVP, EVP, FDP, GLP und SVP haben sich in einem bürgerlichen Komitee für Konzernverantwortung zur Initiative bekannt. Ein entsprechendes Komitee mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Wirtschaft zählt noch mehr Unterstützende. Selbst die ganz Grossen wie Coop, Migros, Manor oder der Verein der Multinationalen Konzerne (GEM) in der Romandie stellen sich hinter die Initiative. Und in kirchlichen Kreisen ist der Support inzwischen so breit, dass auch Bischöfe und der Verband der reformierten Kirchen EKS sich für die Initiative ausgesprochen haben. Und vor allem: In einer Umfrage, die im April durchgeführt wurde, gaben 78 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer an, für die Initiative zu sein – elf Prozent mehr als im Februar des letzten Jahres.
Es gibt also immer noch gute Chancen, dass am Ende auch in der Schweiz die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz über den Schutz von Profit und Gewinnmaximierung siegt, auch wenn der Abstimmungskampf mit Sicherheit keine schöne Angelegenheit wird. Die Wirtschaftsverbände sind bereit, Millionen zu investieren, um ihre Interessen durchzusetzen. Doch wo sie auf Geld und Einfluss bauen, zählen wir auf Menschen, die weiterdenken als bis zur nächsten Aktionärsversammlung, und die nicht akzeptieren, dass Profit auf dem Buckel von armen Ländern und der Umwelt gemacht wird. Der Abstimmungskampf ist auch eine Chance, denn er bietet Raum für Diskussionen über die Art und Weise, wie Wirtschaft in Zukunft sein soll. Denn zumindest eines ist hoffentlich den meisten klar: Ein weiter wie bisher ist keine Option.
Pascale Schnyder ist Journalistin und arbeitet für das Hilfswerk Brot für alle. Sie hat sich von Anfang an für die Konzernverantwortungsinitiative engagiert.
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