Mit Respekt, Transparenz und kollektiver Intelligenz zu einem neuen Wir-Gefühl und lebendigen Freiräumen: Dafür steht das Kollektiv ensembleSTARK ein und bereitet einer zweijährigen Zwischennutzung des ehemaligen X-Projects an der Aarbergstrasse 72 den Boden.
Wir Menschen brauchen Räume. Wir haben ein Bedürfnis nach Raum für spontane Begegnungen und Austausch. Raum ohne Konsumzwang oder Diskriminierung. Raum für Bewegung, Kreativität und Utopien. Raum zum Leben, diskutieren, streiten und spielen. Und Menschen brauchen Orte, die sie sich aneignen, mit welchen sie sich identifizieren und an denen sie ihre Spuren hinterlassen können.
Wie in vielen anderen Städten sind solche Räume auch in Biel sehr gefragt und mitunter schwer zu finden. Nicht selten gibt es lange Wartelisten bei der Suche nach einem geeigneten Raum, sofern Mensch es sich überhaupt leisten kann.
Mit dem Kollektiv ensembleSTARK ist eine basisdemokratische Bewegung entstanden, welche sich in der Stadt Biel für eine aktive Vernetzung und ebensolche Freiräume stark macht.
Das Kollektiv EnsembleSTARK hat sich Anfang 2020 konstituiert. Gründe dafür waren der Umzug des X-Projects an den neuen Standort am Rennweg 62 und der bevorstehende Umbau des Chessu. Beim Kollektiv ensembleSTARK handelt es sich um eine Bewegung aus der Bevölkerung und für die Menschen der Stadt. Es geht uns darum, Orte der Begegnung für die ganze Bevölkerung zu schaffen. Gemeinsam wollen wir auch den öffentlichen Raum neu denken, in welchem mitunter Werte wie Transparenz, gegenseitige Unterstützung, Wertschätzung, Humor, Zivilcourage und Offenheit gelebt werden.
Dafür haben wir über 3000 Unterschriften mit unserer Petition «Mehr kultureller Freiraum für die Bevölkerung der Stadt Biel» gesammelt, uns mit Politiker*innen vernetzt, über 100 Menschen aktiv in unseren Entwicklungsprozess einbezogen und mittlerweile über 30 konkrete und sehr diverse Projekteingaben mit Raumbedarf für das ehemalige Gebäude des X-Projects an der Aarbergstrasse 72 erhalten. Damit wurde das Bedürfnis nach mehr Mitwirkung sowie alternativen und zeitgemässen Möglichkeitsräumen für jegliche Gesellschaftsgruppen umso deutlicher.
Mitte April 2021 hat sich eine Delegation von EnsembleSTARK mit den Gemeinderätinnen Silvia Steidle und Glenda Gonzalez Bassi und dem Stadtpräsidenten Erich Fehr getroffen, um über die Erfüllung der Petition mit 3383 Unterschriften und die darin geforderten Freiräume zu diskutieren. Der Gemeinderat bietet EnsembleSTARK die Liegenschaft Aarbergstrasse 72 für eine Zwischennutzung bis Winter 2022/23 an. EnsembleSTARK will eine solche Zwischennutzung unbedingt realisieren. Parallel dazu arbeitet das Kollektiv an der Realisierung weiterer Freiräume für soziokulturelle, kreative, kulturelle und sportliche Nutzungen mit einem längeren Zeithorizont.
«Alleine kommen wir zwar schnell voran, aber gemeinsam kommen wir viel weiter!»
Die Pandemie hat dem Kollektiv zwar phasenweise die Möglichkeit genommen, sich persönlich zu treffen und stärker zu mobilisieren. Wiederum führte diese plötzliche Veränderung des Alltags soziale und politische Missstände umso klarer vor Augen, wodurch die Gruppe mehr Zeit hatte, sich als Kollektiv zu formen, eine wertschätzende, kreative und humorvolle Kultur zu entwickeln und sich dem Potenzial des eigenen Engagements umso bewusster zu werden. EnsembleSTARK kann und will sich nach dieser Zeit umso energischer für ein lebendiges, selbstbewusstes und inklusives Biel einsetzen – eine Stadt in welcher jede*r richtig und wertvoll ist, wie er oder sie nun einmal ist.
Wir sitzen jetzt zu viert an diesem Text und überlegen, wofür das Kollektiv ensembleSTARK steht wie wir unser Wirken und unsere Ideen etwas fassbarer machen können und welche Erinnerungen wir an unsere gemeinsamen Erfahrungen in der Gruppe haben. So rauschen unzählige schöne, fokussierte, lustige aber auch anspruchsvolle und emotionale Momente und Bilder durch unsere Köpfe. Wo sollen wir also anfangen?
Wie wär’s mit einem Ausschnitt dessen, was nur schon einige Kollektivmitglieder sich für die nahe Zukunft vorstellen können?!
Raum für realistische Utopien: Eine atmosphärische Kurzgeschichte
Ich stelle mir eine alternative Bibliothek vor, hier finden regelmässig öffentliche und spontane oder organisierte Lesekreise in verschiedenen Sprachen statt. Ein neues Format, welches hier regelmässig stattfindet ist «micro_HISTOIRES». Das Angebot richtet sich an junge Menschen – aber nicht ausschliesslich – welche sich anders an Bücher, Texte und allgemein Literatur heranwagen wollen. Hier werden einmal Kurzgeschichten, mal politische Schriften, selbstverfasste Texte, Haiku’s oder regionale Gedichte vorgetragen. Ein paar Meter weiter findest du eine offene Bar (Selbstbedienung) mit Kaffee, Tee und selbstgemachten Kuchen – du kannst dich einfach auf Kollekte bedienen oder auch eigens etwas aus deiner Küche auf das Buffet stellen.
Du hast womöglich soeben einen Kaffee und ein Paar Stücke Baklava geholt und begibst dich ein paar Schritte weiter ins offene Atelier im Haus: Ein Ort für kollektives und selbstständiges Arbeiten, Denken und Netzwerken. Hier ist vieles möglich. Künstlerisch arbeiten, Tattoos stechen, neue Projekte mit Gleich- und Andersgesinnten aushecken, einen Workshop in Typographie oder Portraitmalerei besuchen, Netzwerktreffen durchführen, u.v.m. Hier findet co-creation im besten Sinne statt und der Raum ist offen für alle Menschen, die hier arbeiten oder sich mit anderen austauschen und etwas erschaffen wollen. Hier können wir voneinander lernen und über uns selbst hinauswachsen – Each-one-Teach-One! Es riecht etwas nach Tinte und im Hintergrund hörst du das Surren einer Tattoomaschine, Farbspritzer fliegen durch die Luft und geschäftiges Tastaturklimpern ist zu hören. In diesem Raum gibt’s übrigens auch grosse und kleine Schliessschränke, damit Einzelpersonen und Vereine aus der Region ihre wichtigen Sachen deponieren und die vorhandenen Räume einfach nutzen können, wenn sie darauf angewiesen sind. Feste Regeln gibt es in diesem Gebäude nicht viele – gemeinsame Werte hingegen schon – und wir handeln diese und die Raumnutzung stetig mit den anderen Nutzer*innen aus. Damit entwickeln wir eine achtsame, wertschätzende und rücksichtsvolle Kultur, und zwar gemeinsam. Das hier ist ein sicherer Ort und wir alle tragen dazu bei, dass sich hier alle wohlfühlen können, egal wie lange sie schon in der Schweiz sind, welche Sprachen sie sprechen, wie alt sie sind oder wie sie sich selbst als Mensch und Individuum sehen. Wir übernehmen Verantwortung für uns selbst und die Gesellschaft, in der wir leben.
Wir befinden uns noch immer im offenen Atelier. Eine Tür geht auf und die Tanztrainerin vom Stockwerk über uns schaut kurz im offenen Atelier vorbei, um kurzfristig Unterstützer*innen für ihr neues Stück zu finden. Oben im Bewegungsraum gibt es offene Tanzkurse zu besuchen, vielseitige Workshops und Experimente zum Körperbewusstsein, Yogakurse, inklusives Impro-Theater und zeitgenössische Tanzstücke, welche dich zum Staunen bringen. Willst du hier etwas Eigenes machen, dann geht das meistens ganz unkompliziert. Hier können die Menschen zwanglos stärker mit ihrem eigenen Körper, sich selbst und anderen Menschen in Kontakt kommen. Es ist entspannt und niemand fühlt sich gezwungen, irgendeine Prüfung abzulegen. Hier kannst du auch einfach mit deinen Freund*innen eine Choreo einüben oder an einem der offenen Kurse teilnehmen. Du kannst dein Wissen und deine Fähigkeiten einbringen, Fragen stellen, von anderen lernen und neue Freund*innen finden. Hier erlebst du Freiheit und Zugehörigkeit. – Was könnte an einem derart offenen Ort wohl sonst noch alles entstehen? Was sind deine Träume, Visionen oder konkreten Ideen?
Das eben gezeichnete Bild entspringt vier engagierten Köpfen aus dem Kollektiv und zeigt auf, welches Potenzial und welche Ideen für eine lebendige und lebenswerte Stadt vorhanden sind und nur darauf warten, Räume und Möglichkeiten für deren Umsetzung zu bekommen.
«Was ihr hier macht und wie ihr miteinander umgeht ist aussergewöhnlich und hat Pioniercharakter»
EnsembleSTARK versteht sich als offenes und dynamisches Kollektiv im Interesse der Zivilgesellschaft. Dabei werden die Menschen aus Biel und Umgebung ins Zentrum des kollektiven Engagements gestellt. Die Bedürfnisse der Menschen sind zentral, wenn Partizipation und Inklusion gelingen soll. Als basisdemokratische Bewegung wird ausserdem grosser Wert auf eine konstruktive Kommunikations- und Fehlerkultur mit viel Platz für Humor und Kreativität gelegt. Die Menschen im Kollektiv wollen sich entfalten und Fehler machen dürfen. So bekommen alternative Ideen, aber auch Bedenken und Vorbehalte einen Raum, um andere Sichtweisen kennenzulernen und voneinander zu lernen. Wir alle sind Menschen und haben das Bedürfnis, am kulturellen Leben in unserer Stadt teilzuhaben und genau darum setzt sich ensembleSTARK für ebensolche Räume ein.
Autorenschaft: Vier aktive Kollektivmenschen aus Biel und Umgebung, die sich in ganz unterschiedlichen Projekten und Vereinen engagieren und sich mit viel Herzblut, Humor und Kreativität für und mit der Zivilgesellschaft für mehr Freiräume engagieren wollen.
ensembleSTARK – Was konkret passiert
Als erstes soll an der Aarbergstrasse 72 ein Ort entstehen, frei von Zwängen, ohne Konkurrenzstreben und Druck – offen für alle, die sich einbringen oder zum Gemeinwohl beitragen wollen. Ein Ort der Freizeit, des Schaffens, des gemeinsamen Wirkens, des zwanglosen Spielens und der gelebten, inklusiven Demokratie.
Hier soll für und mit allen Interessierten ein polyvalenter Möglichkeitsraum zur freien Entfaltung erschlossen und gemeinsam entwickelt werden. Ein Raum für Inspiration, frei von Hindernissen und Ausschluss. Ein Ort, in welchem alle einen Platz und eine freundschaftliche Atmosphäre vorfinden.
Gemeinsam wollen wir voneinander lernen, Vorurteile und Ängste abbauen, Neues kennenlernen und über uns selbst hinauswachsen. Wir wollen die Ideen, Potenziale und Interessen der Menschen in Biel und über die Stadtgrenzen hinaus ernstnehmen und sie in Verbindung miteinander bringen, damit sie sich gegenseitig inspirieren und voneinander lernen können.
Neugierig? Das Projekt geht jetzt in eine weitere, sehr spannende Phase. Unter anderem bespricht ensembleSTARK die zukünftige Nutzung der Flächen an der Aarbergstrasse 72. Die Bevölkerung wird herzlich eingeladen, jetzt auf der Website eigene Projekte einzugeben, an den stets offenen Sitzungen des Kollektivs teilzunehmen und diesen Aufruf im Bekannten- und Freund*innenkreis sowie in den sozialen Netzwerken zu teilen. Weitere Infos dazu finden sich unter:
www.ensemble-stark.ch
Instagram: ensemblestark
info@ensemble-stark.ch