Eigentlich weiss man es schon lange: Die Zufahrt zum Beaumont-Spital ist für Patient*innen, Personal, Lieferant*innen und vor allem die Anwohner*innen eine Qual. Das war nicht immer so: Als das Spital im Beaumont in den 1930er-Jahren gebaut wurde, schätzte man die Höhenluft ausserhalb der schlotenden Stadt und über dem (damaligen) Bodennebel.
Heute sind Spitäler keine Kurhäuser mehr, hier wird längst auch nach betriebswirtschaftlichen Prinzipien gearbeitet. Zudem nehmen stationäre Behandlungen ab, während die Angebote für ambulante Behandlungen ausgebaut werden, wie Kristian Schneider, Direktor des Spitalzentrums Biel, erklärt. Der Verkehr habe so durch Kurzbesuche z.B. für Untersuchungen, Physiotherapie etc. auf 70‘000 Patientenbesuche jährlich zugenommen. 1’400 Personen arbeiten in diesem Spital, 2‘500 Autos fahren täglich den Berg hoch und wieder runter.
Was bisher evaluiert worden ist
Nun endlich die längst nötige Wende: Die Spitalleitung will an einen neuen Standort zügeln und hat anhand einer unveröffentlichten Standortevaluation dafür das Brüggmoos auserkoren. Klar ist: Spitalleitung und die Gemeinde Brügg verfolgen unterschiedliche Interessen. Während das Spital primär ein Haus mit guter Verkehrsanbindung braucht, möchte der Brügger Gemeindepräsident Marc Meichty damit das Erlenquartier aufwerten und besser mit dem Ortskern verknüpfen. Im Gespräch erklärte er mir, weshalb die Machbarkeitsstudie vor allem Fragen zu Erschliessung, Ortsbild und Quartierpark behandelt hat.
In den Gesprächen mit der Gemeinde Brügg stellte ich fest, dass man sich mit Information und Partizipation noch schwer tut. So erhielt ich keine konkrete Auskunft, ob Untersuchungen zur Luftqualität (Nähe zu MÜVE, Autobahn, Einkaufszentrum) gemacht worden sind. Die kantonalen Umwelt- und Klimaziele wie auch das Energiestadt-Label der Gemeinde sind in den Empfehlungen der Machbarkeitsstudie ebenfalls kein Thema. Und für energietechnische Mindestanforderungen für den Neubau – z.B. CO2-neutraler Bau und Betrieb – oder transparente Verfahrensspielregeln ist es nach Auskunft der Gemeinde noch zu früh. Da muss ich leicht zweifeln, dass „Nachhaltigkeit“ für alle Projektbeteiligten selbstverständlich sein wird.
Obwohl ein Regionalspital von regionalem Interesse ist, wurde die betroffene Bevölkerung bisher nicht involviert. Das soll sich nach Auskunft der Gemeinde aber schon bald ändern.
Potenziale für Neubau und Quartier
Geht es nach den Projektverantwortlichen, sollen die unterschiedlichen Absichten von Spitals und Brügg koordiniert und in zwei separaten, professionellen Wettbewerbsverfahren weiterentwickelt werden. Hier fehlt mir der integrative Ansatz, die Beteiligung der betroffenen Bevölkerung aus Region und Quartier sowie der Patient*innen und des Personals. Auch sollte Brügg als offizielle Planungsbehörde vorgängig noch Zielvorgaben finden zu sozialräumlicher Entwickung, Nachhaltigkeitszielen und echter Partnerschaft mit Bevölkerung und Spitalleitung.
Meine Vorschläge
- Ein ergebnisoffener Planungsstart mit rebionalen Partizipationsmöglichkeiten und kontinuierlicher Kommunikation scheinen mir zentral. Hier sollte der Regionalverband seeland.biel/bienne über seine Pflichterfüllung hinaus aktiv und sichtbar die unterschiedlichen Interessen von Bevölkerung, Gemeinden, Kanton koordinieren.
- Dass ein solches Vorhaben vorbildlich in Bau und Betrieb CO2-neutral werden sollte, erscheint mir selbstverständlich angesichts der kantonalen Umwelt- und Klimaziele sowie des Energiestadtlabels von Brügg. Zur Nachhaltigkeit gibt es gute Arbeitshilfsmittel von SIA und KBOB.
- Da ein Spitalbetrieb laufend baulich angepasst werden muss, sollte man eine „zirkuläre“ Baukonzeption suchen, die die Wiederverwendung der eingebauten Elemente konsequent ermöglicht und so Materialflüsse und Bauabfälle minimiert. Das heisst: Das Spital braucht neuartige Bauvorschriften, welche die stetige Transformation zulassen ohne dass die Siedlungsqualität darunter leidet.
Und konkret fürs Brüggmoos:
- Der lokale Bedarf ist mittels Bevölkerungsbeteiligung und Sozialraumanalyse zu festigen, die Gestaltungsspielregeln sind für das ganze Quartier neu zu definieren.
- Man könnte das Spital selbst als Parklandschaft gestalten, das Dach öffentlich zugänglich machen und so die verschiedenen Absichten räumlich miteinander verweben.
- Die Räume unter den Brücken und Rampen sollten besonders sorgfältig geplant werden, um auch dort eine hohe Aufenthaltsqualität zu erhalten.
Einerseits könnte ein Spital als Ort der Genesung biophil, also auch räumlich lebensfördernde gestaltet werden, wie dies z.B. das Spital Khoo Teck Puat in Singapur bereits gemacht hat.
Andererseits könnte die Wahl von Baumaterialien und –Konstruktionen so erfolgen, dass spätere Anpassungen keine Bauabfälle erzeugen, wie dies z.B. Peter van Asschen mit dem Event-Pavillon zur niederländischen Design-Woche 2017 demonstriert hat.
Wie geht es weiter?
1. wird man am 25. April 2021 in der Gemeinde Brügg über den Planungskredit, und damit über den Grundsatz zum Spitalstandort, abstimmen.
2. kommt dann die Planungsvereinbarung zwischen Spital und Brügg.
3. wird im Grossrat die Umwandung vom bereits bewilligten Umbaukredit in einen Neubaukredit beraten (Restrukturierungsbeitrag nach Art. 70ff. SpVG).
4.werden der Architekturwettbewerb des Spitals und ein Landschaftsarchitekturwettbewerb der Gemeinde Brügg für die Parkumgebung durchgeführt (beide in Anlehnung an SIA 142/143).
5. soll 2023 in Brügg über die Umzonung abgestimmt werden.
Vor den weiteren Planungsarbeiten erhoffe ich mir bereits heute eine regionale, intensive und kontinuierliche Bürgerbeteiligung – und zwar bilingue!
Thomas Frutschi ist Architekt FH, Baubiologe SIB, Raum-planer FSU und wohnt in Brügg. thomas.frutschi@gmx.ch
Foto: Spitalneubau im Brüggmoos: Mögliche Zukunft gemäss Machbarkeitsstudie. Foto von spitalneubaubielbruegg.ch
Sich einbringen...
Wer mitreden möchte, kann dies an: info@spitalneubaubielbruegg.ch - die offiziel-len Informationen sind zu finden unter www.nouvelhopitalbiennebruegg.ch resp. www.spitalneubaubielbruegg.ch