Für Humor gibt es keine Anleitung; es ist eine längere Suche nach der ganz persönlichen, heiteren Gelassenheit. Es lohnt sich, sich dafür Zeit zu nehmen und sich nicht zu stark unter Druck zu setzen, humorvoll sein zu müssen.
Wie viele Male wollte ich mit lustigen schlauen Sprüchen meinem Gegenüber imponieren! Dabei herausgekommen ist eher ein verkrampftes Lächeln. Hingegen einfach ist es, jemandem ein Lachen zu entlocken, wenn ich mich über mich oder andere lustig mache. Das Gefühl danach ist unbefriedigend, und ich will nicht auf Kosten anderer lustig sein. Ich begebe mich demnach auf eine Reise, um meinem persönlichen Humor etwas näher zu kommen. Ermutigt werde ich dabei von Humorforscher Willibald Ruch, der weiss, Humor ist lernbar. Welch ein Glück!
Humor leitet sich vom lateinischen Wort «(h)umor» ab, bedeutet übersetzt Flüssigkeit und bezieht sich auf die vier wichtigsten Körpersäfte Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle. Im Mittelalter bestimmten die verschiedenen Mischungen dieser Körpersäfte die Temperamente der Menschen. War das Verhältnis der Körpersäfte ausgeglichen, galt der Mensch als harmonisches Naturell mit gutem Humor, und gesund.
Ich suche nach Texten im Internet, aber da finde ich keine Anweisung, wie ich zu meinem Humor finde. Schlagzeilen wie «Humor steigert die Arbeitsfähigkeit», «mehr Lachen gleich mehr Umsatz» oder wie wichtig Humor im Team ist, wecken nur bedingt meine Neugier. Interessanter finde ich die Aussagen des Humorforschers Willibald Ruch. Studien seien zum Schluss gekommen, dass je mehr Humor eine Person habe, desto glücklicher, zufriedener und weniger depressiv sei sie.
Dies ist nachvollziehbar und auch wissenschaftlich erwiesen. Lachen hat durch die Ausschüttung von Endorphinen einen positiven Effekt auf die Gesundheit. Dies führt mich zum eigentlichen Begriff Humor. Was ist damit gemeint? Beschränkt sich Humor auf Lachen? Nein, sagt dazu Willibald Ruch: «Ich verstehe Humor als eine Art heitere Gelassenheit dem Leben gegenüber. Dass man nichts so ernst nimmt und auch tragischen, schwierigen Situationen noch eine heitere Note abgewinnt.»
Ok, das ist ein Anhaltspunkt. Ich überlege mir, wann ich das letzte Mal heiter gelassen war. In dieser sehr komplexen Welt traue ich mich fast nicht, vertiefter darüber nachzudenken. „Gelassen“ scheint mir zurzeit eher etwas deplatziert. Da hilft mir die Feststellung aus den Studien, dass Humor auch Distanz zu sich selbst schafft. Also auch Distanz zu der tragischen und schwierigen Seite? Damit kann ich etwas anfangen. Wann gelingt mir diese Gelassenheit? Wann gewinne ich Distanz? Jetzt erinnere ich mich an tausend Situationen. Das war beim Spielen, draussen auf einer Wiese mit anderen Menschen. Beim Verstecken spielen mit den Kindern, oder beim letzten „Schere, Stein, Papier“, als es um den Abwasch ging. Da hatte ich diesen Moment von Leichtigkeit, verbunden mit dem gemeinsamen Lachen.
Es kommen noch mehr Momente: Beim Akkordeonspielen, als ich mit voller Lautstärke einen falschen Bass spielte, alle Mitmusizierenden mich anstarrten und ich mit einem einfachen Lächeln antwortete und weiterspielte. Oder an diesem Abend im Sommer, als ich nach einem Tanzkurs mit meinem Velo durch die Nidaugasse fuhr. Es regnete Fäden und ich wollte schnell nach Hause. Aber dann kam mir diese grandiose Idee: wollte ich nicht schon lange wieder mal mit seitlich ausgestreckten Beinen durch jede Pfütze fahren? Was für ein Vergnügen! Das nenne ich heitere Gelassenheit!
Letzte Woche dann im Theater: Der Schauspielerin auf der Bühne fehlen plötzlich die Worte – aus dem Nichts, einfach so. Alle sind auf die nächsten Momente gespannt. Die Schauspielerin schaut uns an und erklärt uns ihre Sackgasse. Sie lächelt dabei und die Technikbegleitung übermittelt ihr ihre verlorenen Worte. Auch das teilt sie uns mit.
Durch diese offene Art uns aber auch sich selbst gegenüber, behielt sie ihre Gelassenheit. Es entstand ein wohlwollender Raum, in dem wir Zuschauer:innen alle an ihrem persönlichen Humor teilhaben konnten. Die Heiterkeit war in diesem Moment nicht gegen die Schauspielerin gerichtet, sondern mit ihr. Sie diente als Schutzmantel, der sich um sie gelegt hatte.
Auf dem Nachhauseweg dachte ich fasziniert über diese Szene nach. Sie hatte mir gezeigt, wie wichtig Mut zur Offenheit ist. In einer solchen Situation nicht aufgeben, sondern dastehen, der Angst keinen grossen Platz geben und das innerliche Lächeln behalten. Das ist Kunst, das ist Humor, das ist Vergnügen!
Die kleinen Schritte führen uns zu mehr Humor im Alltag. Es braucht Mut und Disziplin, Gewohnheiten zu überdenken, Dinge auszuprobieren und neue Wege zu gehen. Momente von Vergnügen und Gelassenheit wollen im Alltag gepflegt werden, sei dies mit einer lustigen Velofahrt oder mit einer Begegnung mit unserem inneren Lächeln in scheinbar aussichtslosen Situationen.
Ja, es gibt keine Anleitung, aber über vergnügliche Situationen nachzudenken hilft mir, meine ganz persönliche heitere Gelassenheit zu finden.
Text:
Jacqueline Zimmermann, Sozialarbeiterin, Mitdenkerin bei dasventil.ch, Yogalehrerin, Akkordeonistin, lebt mit ihrer Familie in Biel.
Illustration:
Claudia Nicotra