Wenn die Vision 2035 als PDF die Redaktion verlässt, wird am nächsten Morgen in der Druckerei Ediprim ein Ungetüm sondergleichen angeworfen. Es ist die letzte mechanische Zeitungsdruckmaschine –eine sogenannte Rollenrotation –ihrer Art weit und breit.
9 Uhr morgens und der Oldtimer läuft schon auf Hochtouren, schnarrt und schnurrt und surrt. Von rechts irgendwo her ein Rattern. In der Luft hängt der Geruch von Maschinenöl und Druckfarbe. Man steht da und staunt. Mechanik pur. Den Blick ziehen zwei Bahnen rasendes Papier auf sich, die das 25 Meter lange und drei Stockwerke hohe Stahlungetüm aus dem Keller heraufzieht –eine Bahn pro Zeitungsbund, 8 Seiten je, vier von unten vier von oben bedruckt im sogenannten Druckturm, dem Herzstück der Maschine. 0.9 Millimeter dünne Aluminium-Druckplatten sind dort auf Rollen aufgespannt. Sie werden oben in der Druckerei in einem hochmodernen Lasergerät vorbereitet, wobei der Laser mittels punktweisem Belichten die Texte und Bilder ab PDF auf die Platten überträgt und fixiert. Diese Stellen nehmen dann auf der Rotation Farbe auf, der Rest nicht. Es gilt das Prinzip, nach dem sich Fett und Wasser abstossen. Aber einfach zu verstehen und zu beschreiben ist das nicht, man muss es fast mit eigenen Augen sehen (siehe Wettbewerb). Auch wie die Bahnen dann zusammenlaufen, wie sie gefaltet und geschnitten werden, alles so rasend schnell. Am Schluss macht ein „Schwert“den Postfalz, eine Gabelrolle fängt die Zeitungen auf und legt sie sachte im Zehntelssekundentakt auf ein Förderband. Fertig ist die Zeitung.
„C’est magnifique diese Mechanik“
Doch halt, die Mitarbeiterin am Ende des Förderbands bündelt die Exemplare nicht etwa, sondern schmeisst sie in hohem Bogen in einen Altpapiersammelbehälter. Alles Makulatur. Was ist los? Und warum tigert eigentlich Peter Trachsel, der Drucker, die ganze Zeit so rastlos herum –dreht hier an einem Rad, legt da einen Hebel um, eilt wieder zum Steuerpult mit den dutzenden Knöpfen und Reglern, und wieder zurück zur Maschine, hin und her?
Ein Falz auf der Papierbahn sorgt für die Unruhe und ein unbrauchbares Resultat. Doch bald wird klar: alles justieren nützt nichts, der Fehler ist schon auf der Rolle. Nach der Schliessung der Papierfabrik im solothurnischen Utzenstorf liefert nun die luzernische Perlen Papier AG das Rohmaterial, und dort habe man noch nicht so viel Erfahrung mit Zeitungspapier, weiss Jacques Châtelain, der sich nun im Keller der Druckerei der Auswechslung annimmt. 440 kg wiegt eine einzelne Rolle Recycling-Zeitungspapier. Sie lässt sich durch ausgeklügelte Mechanik fliegend wechseln, ohne dass oben die Maschine ausgeschaltet werden muss. „Ja“, sagt Châtelain, „c’est magnifique diese Mechanik, die funktioniert auch noch weitere 50 Jahre. Aber die Elektronik in den Schränken dort drüben macht uns Sorgen. Da weiss bald niemand mehr, wie sie zu reparieren ist, und woher die Ersatzteile nehmen.“Die Herstellerfirma der Rollenrotation, die schwedische GMA, gibt es längst nicht mehr.
Dafür aber Trachsel und Châtelain, beide seit 38 Jahren in Ediprims Diensten, mit ihrem fundierten Wissen über diese Grossmutter unter den Druckmaschinen. Sie kennen all ihre Mätzchen und Geheimnisse. Aber in ein paar Jahren werden sie in Pension gehen. Schaffen sie es noch rechtzeitig ihr Wissen an einen Nachfolger weiterzugeben, wie es ihr Vorgänger ihnen einst weitergab und im hohen Alter immer noch manchmal mit Rat zur Seite steht? Und wie lange rentiert es überhaupt noch, dieses Ungetüm weiterzubetreiben? Eine Gratwanderung –denn die Maschine braucht viel Platz und eine gute Wartung. Geschätzte 400 Schmierstellen, so Trachsel, müssen ein bis zwei Mal jährlich mit Fett versorgt werden.
Früher habe man hier noch das Biel Bienne und diverse Anzeiger gedruckt, erzählt der Drucker, die Rotation lief tagelang auf Hochtouren; bis zu 10 000 Zeitungsexemplare schafft die Maschine mit Baujahr 1965 in einer Stunde, wenn alles passt. „Hatte sie mal eine grössere Panne, war gleich Aufruhr im Betrieb. Aber das kam zum Glück in all den Jahrzehnten nur selten vor.“Heute sind die Aufträge rarer geworden, die Auflagen kleiner. Die 270 000 Exemplare einer Zeitung, die kommende Woche auf dem Druckplan steht, sind eine Ausnahme. Aus der einstigen „schwarzen Kunst“, so Peter Trachsel, sei pure Dienstleistung geworden –eine, die allerdings sehr geschätzt wird von kleinen Verlagen, wie jenem dieser Zeitung, und die von Ediprim in Person der beiden Drucker mit spürbarem Herzblut gepflegt wird.
6 Kilometer Papier für eine Nummer
Die Papierbahnen rasen jetzt falzfrei über die Rollen, der Drucker muss sich wieder konzentrieren. Was die Maschine am Ende ausspuckt, gefällt und kann gebündelt werden. Dennoch bleibt Trachsel wachsam, wie ein Luchs, nimmt alle paar Minuten eine Zeitung zwischenraus, schlägt sie auf, schaut ob auch wirklich alles passt, nichts schmiert, nichts falzt. Zwischendurch eilt er zu irgendeinem Rädchen an der Maschine und dreht es ein paar Zentimeter. Feinschliff. Nachjustierung. „Es ist nichts automatisch hier“, sagt Trachsel.
Auch die Reinigung am Schluss ist Handarbeit. Zuerst muss die Farbe von den Walzen. Trachsel sprüht sie mit einem speziellen Mittel ein. Erst als das Papier keine Schwärze mehr aufnimmt, stellt er die Rotation aus. Gut 320 kg Papier, was 6000 Metern entspricht, sind jetzt durch die Maschine gerast –für 1800 Exemplare der aktuellen Vision 2035 und fast ebenso viel Makulatur. Aber keine Sorge: all dieser „Abfall“geht wieder in den Kreislauf und wird zum nächsten Recyclingpapier aufgearbeitet. Ein bisschen frische Holzfaser muss allerdings jeweils hinzugefügt werden, weil sonst das dünne Papier der Spannung auf der Rotation nicht standhalten könnte.
Trachsel zieht nun das Papier aus den Drucktürmen und wischt sorgfältig mit einem speziellen ph-neutralen Mittel die Walzen nach. Dann ist alles bereit für den nächsten Auftrag, in drei Monaten auch wieder für die Vision 2035 –hoffentlich noch lange auf diesem Relikt der Vergangenheit.
Janosch Szabo
Ediprim und die Ökologie
Für die Ediprim AG, gegründet 1996, ist die Ökologie zentraler Bestandteil der Firmenphilosophie. Das zeigt sich an folgenden Punkten:
- seit 17 Jahren Verwendung von Druckfarben auf pflanzlicher Basis, sprich zum Beispiel Lein- oder Sojaöl statt Mineralöl
- seit 2002 auf der VOC-Positivliste für lösungsmittelarmen Druck und damit unter den Pionieren des Projekts, das zum Ziel hat, die VOC-Emissionen aus Druckereibetrieben um mindestens 50% zu reduzieren. Sie auch: www.voc-arm-drucken.ch
- FSC-Zertifizierung seit 10 Jahren sowie erste Druckerei in der Region mit klimaneutralem Druck unter dem Label myclimate
- Betrieb der Druckmaschinen mit Ökostrom von einem Kleinwasserkraftwerk in der Bieler Taubenlochschlucht.
- Druckplatten wie auch Abfallpapier werden zu 100% recycelt.
- Lieferungen mit einem erdgasbetriebenen Fahrzeug und einem Kleinlaster mit Dieselrusspartikelfilter.
Ediprims Druckpalette reicht von Visitenkarten bis zu Büchern und von Zeitungen bis zu high-end-Uhrenprospekten – im Spannungsfeld zwischen herkömmlicher Mechanik und hochmodernen Lasermaschinen.