Leben

Was glücklich macht

In der Textwerkstatt Kreatives Schreiben an der Volkshochschule Biel-Lyss, geleitet von den Bieler Autorinnen Regina Dürig und Eva-Maria Leuenberger, gibt es an jedem der acht Kursabende pro Semester mindestens einen Schreibimpuls, manchmal auch zwei oder drei. Daraufhin entstehen Texte, die sich die Teilnehmerinnen gegenseitig vorlesen. Ein Teil der Freude, die das macht, steckt in den ganz unterschiedlichen Perspektiven und Stimmen, die da zueinanderfinden. Auf das selbe schauen und doch etwas ganz anders sehen. Der vorliegende Kollektivtext ist – kaum zu glauben, aber wahr – in fünf Minuten zu Beginn des Kursabends entstanden. Im Anschluss wurden die einzelnen Teile zusammengefügt und, wo nötig oder gewünscht, die Texte minimal überarbeitet.

Eine Sammlung von A wie ausschlafen bis Z wie Zartheit

zarte Kinderhaut

Rognons flambés à la crème

eine Wanderung auf einen Berg

einschlafen

etwas Schwieriges verstehen

lachen

einen seltenen Pilz finden

nackt baden im See

Farben, die zueinander passen

die Weltkugel drehen und sich dabei eine Reise vorstellen

ein unerwarteter Besuch

Blumen, Blumen, Blumen

von einem anderen Menschen verstanden werden

spielen

sich in spannender Lektüre verlieren

möglichst wenig besitzen

etwas aus grosser Höhe fallen lassen

 

faulenzen und ausschlafen im Himmelbett

herumdümpeln in der Badewanne

Wohnung neu einrichten

Lieblingspasta mit Amarone geniessen

Freunde bekochen und mit ihnen diskutieren

den ganzen Tag Bab L’Bluz hören

Spielfilme im Fernsehen 

Krimis am Radio 

nach Lust und Laune lesen und schreiben

mit Mann und Hund in die Berge fahren

von fantastischen Aussichtspunkten hinunterschauen

spazieren im frisch verschneiten Wald

skifahren auf schnellen Pisten

schwimmen im warmen Bielersee

mit dem Fahrrad neue Landschaften entdecken

in die Ferien reisen und in fremden Städten shoppen

 

lachende Augen

Wortspielereien

Seifenduft im Fahrstuhl 

Postkarten versenden

nichts mehr besitzen 

Porzellan und Schönes verschenken 

einen leeren Keller haben 

Elvis Presley, schmachtend 

das Licht in Nachbars Fenster mitten in der Nacht

Prosecco ohne Zigarette 

violette Strümpfe 

Violett auch ohne Strümpfe 

keine Verantwortung tragen 

Regenwetter und ein grauer Regenschirm 

dass Brad Pitt doch nicht zum Abendessen kommt

im Pyjama lümmeln 

vom Meer träumen 

kleine Kinder, welche mir die Welt erklären

mir vorstellen, ich sei nicht hier

 

Morgentautropfen auf einem Grashalm

Der Blick auf eine Wiese

Zugfahren, Velofahren und Wind in den Haaren

Chanter, danser, jouer (de l’accordéon)

Umarmung, küssen, streicheln, schöner Sex

Spielende Kinder

Stille

Ruhe … auch im Zusammensein mit anderen Lebewesen

Kaffee

Zigarette im richtigen Moment 

frische Luft

eine Aussprache, ein gutes Gespräch

feines Essen

das Richtige im richtigen Augenblick


ein pfeifendes Murmeltier

Wasserfall im Sonnenschein

der Geruch des Frühlings

der Geruch nach einem Sommerregen

der Geruch vor dem ersten Schnee

Gespräche wie Schmetterlinge

seidenweiches Katzenfell mit Geschnurr

die Bewegung des Meeres

alles mit Neugier und Zartheit

Blumenorte

Musik und Rhythmen

Türkis und Gold

tanzende Freiheit

ein schnuppernder Dachs

Stille 

Dorothea Walther-Lindt, Astrid Wirth, Barbara Guédel, KaTCHi und Hannah E. Hänni

 

Glückinol 3000 forte

von Maria Joos-Jungen

Allgemeines/Zusammensetzung

Glück ist eine personalisierte und hochwirksame Substanz. Sie erhöht das Wohlbefinden, trägt zur individuellen Gesundheit bei und ist gut sozialverträglich. Zu den bekannten Inhaltsstoffen gehören: Humor, Selbstironie, gut trainierte Lachmuskeln, Zufall, Offenheit, Aufmerksamkeit, Neugierde etc. 

Anwendung

Möglichst täglich. Glück kann nur frisch und im Moment genossen werden. Es lässt sich nicht konservieren.

Dosierung

Glück ist eine Beilage, keine Hauptspeise. Es empfiehlt sich, so viel als möglich zu teilen und zu verschenken. Dann vermehrt es sich mit grosser Wahrscheinlichkeit.

Kontraindikation

keine

Nebenwirkungen

Kann in seltenen Fällen Eifersucht im Umfeld erzeugen. Weitere Nebenwirkungen sind nicht bekannt.

Zu beachten

Glück ist fragil und kann jederzeit zerbrechen. Es hält sich am besten, wenn man es nicht festzuhalten versucht. Gefühlskälte und emotionale Hitze können zur Zerstörung der Substanz führen. Wenn im Alltag zu wenig Glück zu finden ist, empfiehlt sich dringend der Gang zum Optiker oder der Kauf einer starken Lupe. In speziellen Fällen ist der Einsatz eines Mikroskops zu erwägen. Glück verbirgt sich oft im Kleinen und will gefunden werden.

Unser kleines Glück – Bastelei für alle von 0 – 100

von Christa Jost

Sie benötigen:

1) ein Häufchen Glück 2–837 Gramm

2) Hände

3) etwas Zeit

4) Wagemut

5) Abenteuerlust

6) ein wenig Frechheit

7) unglückliche Wesen

 

ANLEITUNG (die Reihenfolge ist strikt einzuhalten)

Das Häufchen Glück (1) in die Hände (2) nehmen. Sorgfältig von einer Hand (2.1) in die andere (2.2) geben. Spüren, wie sich das Glück (1) anfühlt. Wagemut (4), Abenteuerlust (5) und ein Tröpfchen Frechheit (6) aufnehmen und mit einer Hand (2.1 oder 2.2) über das Häufchen Glück (1) verteilen. Behutsam alles vermischen und kneten. Jetzt die Zeit (3) nehmen, nach draussen gehen und unglückliche Wesen (7) finden. Das oder die Wesen (7) ansprechen. Bei Bedarf unterstützt von (4), (5) und (6). Über dem oder den Wesen (7) etwas von der Mischung verstreuen. Abwarten. Gemeinsam freuen, lachen und ev. umarmen. Tanzen ist auch möglich.

WARNHINWEIS: Kinder bitte unbeaufsichtigt lassen. Erwachsene brauchen Unterstützung, vor allem beim Verteilen.

Nicht vergessen: Das Glück kann sich nur entwickeln, wenn es weitergegeben wird.

Probieren Sie auch die Basteleien MUT, LIEBE, FREUDE. Und in der nächsten Ausgabe: LACHEN.

 

GLÜCK für 1 Person
von Andrea Stoverink

 

Zutaten:

1 Katze, 2-3 kg

1 Stück Birnenkuchen, französisch

1 Badehose, kirschrot

1 Badehose, azurblau

1 Hund, davon Bellen

1 Schälchen mit Rotkehlchen-Motiv

1 Raum, ca. 15 m Diagonale, Parkettboden

1 Segelschiff

1 Meer, Atlantik bevorzugt

1 Rucksack, klein

 

Und so wird’s gemacht:

Birnenkuchen, den französischen, kirschrote und azurblaue Badehose und Schälchen mit Rotkehlchenmotiv in kleinen Rucksack packen.

Möbel an Wände schieben. Mit seitlich ausgestreckten Armen, Handflächen zeigen zum Parkett (dieses ev. zuerst freilegen), einmal durch den Raum springen (diagonal).

Segelschiff auf Anhänger packen und ankuppeln.

Fahrt via Paris nach Brest.

Vergessenen Hund an Autobahnraststätte nachorganisieren (Katzen sind hier kaum aufzutreiben, notfalls geht es ohne).

Am Ziel (Brest) Schiff einwassern, Hund auf Deck packen.

Rote Badehose Backbord befestigen.
Blaue Badehose Steuerbord befestigen.

Birnenkuchenstück, französisch, in Rotkehlchen-Schälchen legen.

In Kuchenstück beissen (falls Hund nicht bellt, sonnenwarme Hafenkatze organisieren).

Kuchenbrösel mit Schälchen auffangen, mit Zeigefinger auftupfen und im Mund zergehen lassen.

Passt gut zu: Windstärke 5 (= Frische Brise)

Maria Joos-Jungen, von Christa Jost, Andrea Stoverink

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