Mobilität Urbanismus

Wie kann Biel zur Velostadt werden?

Der 21-jährige Bieler Sofian Waeber hat eine Maturarbeit darüber geschrieben, wie Biel zu einer richtigen Velostadt werden kann. Wir dürfen hier seine praktische Arbeit publizieren, in der er detailreich eine Veloroute durch Biel herausarbeitet. Strasse für Strasse zeigt er zuerst die Schwierigkeiten für VelofahrerInnen in der bestehenden Form auf und entwirft dann ein Konzept für eine velofreundliche Verkehrsführung auf dem betreffenden Teilstück. Mit akkuraten Hand-Zeichnungen aufgrund eigener Messungen verdeutlicht der Autor seine Vorschläge, inspiriert von in Kopenhagen gesehenen Lösungen.


 Wahl der Route

Die Wahl der Route fiel auf die Strecke zwischen der Gurzelen Post und dem Bahnhof Biel. Folgende Faktoren führten zu dieser Wahl:

Die Strecke liegt geographisch zentral in der Stadt und verläuft parallel zur Jurakette. In Ost-West-Richtung verbindet sie das Stadtzentrum um den Bahnhof mit dem vielfältigen Quartier um das alte Gurzelenstadion. Mit der Omega als Industriestandort und dem BBZ Biel als Schule hat das Gurzelenquartier grosses Potenzial für Velopendlerinnen. Mit der Neuüberbauung des Gurzelenquartiers mit Genossenschaftswohnungen wird die Zahl der potenziellen Nutzer dieser Achse noch vergrössert, zumal die neue Siedlung ökologisch gebaut werden soll.62 Auch für Bewohnerinnen von Bözingen ist der Weg über die Dufourstrasse am direktesten.

Die Wahl des Bahnhofs als Ziel der Route ist naheliegend. Er bildet für Pendler das Zentrum. Zudem passiert man von der Gurzelen aus auf dem Weg zum Bahnhof auch das Einkaufs- und Kulturzentrum der Stadt bei der Nidaugasse. Die Route hat also eine zentrale Funktion und ist sehr direkt. So eignet sie sich sehr gut als Velohauptverbindung.

Verschiedene Verkehrselemente

Auf der Route finden sich diverse Verkehrselemente. Es hat eine grössere Strasse, die Dufourstrasse, mehrere Kreuzungen, eine Begegnungszone, Quartierstrassen und einen Kreisel. Die grosse Palette an „Problemen“ gibt die Möglichkeit, für jedes einen Lösungsvorschlag zu zeigen, der auch als Beispiel für andere Orte dienen kann. Die Route erlaubt es also, noch mehr Wissen auf die Praxis anwenden zu können.

Verschiedene Probleme

Es sind nicht nur fast alle möglichen Verkehrselemente vorhanden, auch an Hindernissen und Ärgernissen für die Velofahrerin ist fast alles da: parkierte Autos, Fussgängerinseln, fehlende Velospuren, knapper Überholabstand, unübersichtliche Kreuzungen und Kreisel.

Die Route hat also sowohl die Bedeutung als auch das Potenzial und die Probleme, die eine Neugestaltung sinnvoll machen und eignet sich deshalb für das detaillierte Konzept dieser Arbeit.

Hier sei noch angemerkt, dass während der Entstehung dieser Arbeit, Bauarbeiten im Bereich der Stadtbibliothek ausgeführt wurden und die Verkehrsführung veränderten. Die Arbeit orientiert sich am Zustand vor dem Umbau.

Die Route

Die herausgearbeitete Route beginnt auf der Dufourstrasse, auf der Höhe der Gurzelenstrasse. Von dort führt die Route westwärts Richtung Stadtzentrum, bis sie Richtung Süden auf die Gartenstrasse abbiegt. Der Gartenstrasse entlang über die Schüss geht sie weiter bis vor das AJZ „Chessu“, wo sie entlang des bereits bestehenden Velo- und Fussgängerweges Richtung Kongresshaus führt. Dort kreuzt die Route die Zentralstrasse und verläuft weiter auf der Güterstrasse, bis kurz vor dem General-Guisanplatz die Thomas-Wyttenbach-Strasse Richtung Süden weggeht. Mit dieser endet die Route bei den Veloabstellplätzen am Bahnhof Biel. Sie ist insgesamt gut zwei Kilometer lang.

Überlegungen bei der Routenwahl

Dufourstrasse: Der erste Teil der Route ist ziemlich einfach zu bestimmen. Die Dufourstrasse ist gerade und führt sehr direkt ins Stadtzentrum. Sie ist zudem nicht zu schmal, was etwas Gestaltungsspielraum lässt. Die Dufourstrasse bildet den Knackpunkt der Route, da auf ihr am meisten Verkehr herrscht.

Gartenstrasse: Zwar wäre die Route durch die Nidaugasse und anschliessend auf die Bahnhofstrasse direkter, aber die Nidaugasse ist klar eine Fussgängerzone und die Stadt soll nicht ganz neu erfunden werden. Fussgängerzonen gehören zu einer Stadt und sollen auch von Velofahrerinnen respektiert, also umfahren werden. In diesem Fall über die Gartenstrasse. Auf dieser soll auch die Begegnungszone am Zentralplatz umfahren werden. Der Zentralplatz ist schon jetzt für Velos offen und soll das auch bleiben, um Zugang zum Stadtzentrum zu gewähren. Allerdings kann der Verkehr auf dem Zentralplatz gerade zu Stosszeiten oder bei Veranstaltungen etwas stocken. Deshalb macht eine Umfahrung für die Route zum Bahnhof, respektive Richtung Osten, Sinn, als Möglichkeit, flüssig und schnell ans Ziel zu gelangen. Gerade für Pendlerinnen an den Bahnhof, wenn es darum geht Züge zu erwischen, sind «flüssig» und «schnell» wichtige Eigenschaften einer Veloroute. 

In der Achse der Gartenstrasse ist zudem seit längerem eine Velokomfortroute geplant, die von der Madretschstrasse durch die neu gebaute Siedlung beim Madretschschulhaus bis an den Oberen Quai reichen soll.63 Die Route wartet allerdings noch auf Vollendung. 

Güterstrasse: Der Grund warum auf der Gartenstrasse bis zum AJZ und von da auf der Güterstrasse gefahren wird, liegt darin, dass auf diese Weise viele Richtungswechsel verhindert werden, die immer Zeit kosten. Man könnte den Zentralplatz auch über die Kontroll- oder Alexander-Schöni-Strasse umfahren. Dies brächte aber zwei zusätzliche Richtungswechsel mit sich, während man auf der Güterstrasse vom AJZ bis zur T. Wyttenbach-Strasse gerade durchfahren kann.

Thomas-Wyttenbach-Strasse: Die T. Wyttenbach-Strasse ist der direkteste Weg zu den Veloabstellplätzen am Bahnhof. Auf der anderen Seite des General-Guisanplatzes wäre das die B. Rechenberger-Strasse. Die Bahnhofstrasse selbst ist für Velos nicht besonders geeignet: es gibt erstens sehr viel Busverkehr und zweitens keine Möglichkeit, direkt zu den Veloabstellplätzen zu gelangen. Entweder man fährt über den Bahnhofplatz, was verboten ist (und riskiert ein Bussgeld), oder man fährt den Umweg und es hätte sich mehr gelohnt, von Anfang an die T. Wyttenbach-Strasse oder die B. Rechenberg-Strasse zu nehmen.

Bei der Ostseite des Bahnhofs, also bei der Thomas-Wyttenbach-Strasse, wird zudem eine Machbarkeitsstudie für eine Velounterführung durchgeführt. Diese soll den Durchgang von der Stadt an den See und nach Nidau für den Langsamverkehr erleichtern.64

Teilstück 1: Dufourstrasse

Schwierigkeiten für Velofahrerinnen bei der bestehenden Form

Auf der Dufourstrasse mischt sich der Verkehr. Hier fahren Busse, Autos, LKWs und Velos zusammen. Mit neun Metern Strassenbreite von Trottoirrand zu Trottoirrand sind die Platzverhältnisse eher knapp, zumal Parkplätze und Fussgängerinseln an vielen Stellen zwei Meter davon in Anspruch nehmen. Vor allem Velofahrerinnen bekommen diesen Platzmangel zu spüren. Velospur hat es keine und die Überholmanöver der Autos sind nicht selten knapp. Die knappen Überholmanöver werden zusätzlich von parkierten Autos und Fussgängerinseln gefördert (siehe Kapitel 7.2. Velospur). In der Dufourstrasse verstärken sich die beiden Effekte, indem sie sich abwechseln, wodurch die Velofahrerin zu einer Art Slalom gezwungen wird.

Bei der Ampel an der Kreuzung zur Jurastrasse fehlt bei «rot» der Platz am rechten Fahrbahnrand, damit Velos nach vorne fahren können.

Eine weitere Schwierigkeit stellen die Busse dar. Erstens sorgen die Bushaltestellen für eine unebene Fahrbahn und zweitens kommt es immer wieder zum Konflikt zwischen Velos und Bussen. Entweder steht der Bus an der Haltestelle „im Weg“ oder das langsamere Velo blockiert den breiten Bus, der nicht überholen kann.

Als erstes braucht es für eine ausreichende Velospur mehr Platz. Nun ist die Dufourstrasse für zwei Velospuren und zwei Spuren für den MIV zu schmal. Die zwei Velospuren würden zusammen schon fünf Meter der Strassenbreite aufbrauchen(siehe Kapitel 7.2. Velospur), hinzu kämen sechs Meter für die zwei Spuren des MIV, wenn diese die Mindestbreite von sechs Metern bei maximal 30 Stundenkilometern einhalten sollen.65 Die vier Spuren haben also nicht gemeinsam auf der Strasse Platz. Auch eine Velospur auf  dem Trottoir ist keine Lösung. Erstens ist diese unsicherer als eine Spur auf der Strasse (siehe Kapitel 7.2. Velospur); zudem wäre auch auf dem Trottoir nicht genügend Platz vorhanden, was sowohl für Fussgängerinnen, als auch für Velofahrerinnen zu einer unbefriedigenden Situation führen würde. Auch die Bäume entlang der Strasse abzuholzen, um weitere vier Meter zu gewinnen, wäre aus ökologischen und stadtgestalterischen Gründen nicht angebracht. Wie im Kapitel der Routenwahl erwähnt, soll die Stadt nicht neu erfunden werden.

Als Lösung dieses Platzproblemes wird die Dufourstrasse für den MIV und den ÖV zu einer Einbahnstrasse in Ost-West-Richtung. Der motorisierte Verkehr soll auf der Dufourstrasse in Richtung Innenstadt geführt werden und entlang des Oberen Quais und der Stämpflistrasse wieder aus der Innenstadt heraus. Es entsteht ein Ring, der mit der Paul Emil Brandt Strasse und der Neumarktstrasse geschlossen wird. Die Querstrassen dazwischen können in abwechselnder Richtung, ebenfalls im Einbahnverkehr geführt werden.

Mit der Einbahnstrasse bleibt genug Platz für zwei 2,7 Meter breite Velospuren, was auch das Überholen zulässt. Diese Spuren sind der Autofahrbahn gegenüber etwas erhöht und durch einen Bordstein von ihr abgetrennt. Die Mittelspur ist grosszügig bemessen und geht mit 3,6 Metern Breite über die Mindestmasse hinaus. Für den MIV gilt auf diesem Strassenabschnitt Tempo 30 (vorher 50 Stundenkilometer). Sowohl der Bordstein als auch des verminderte Tempo tragen zum Sicherheitsgefühl der Velofahrerinnen bei (siehe Kapitel 7.2. Velospur).

Die Bushaltestellen sind Knackpunkte dieser Route. In Kopenhagen befinden sie sich einfach auf der Fahrbahn. Passagiere müssen zum Erreichen des Busses die Velospur überqueren. Dies funktioniert den Erfahrungen nach gut, verlangt aber Rücksicht von Seiten der Velofahrerinnen, das heisst, sie müssen das Tempo drosseln. Ein Fussgängerstreifen würde die Passierstelle markieren und eine schmale Zwischeninsel würde dafür sorgen, dass aussteigende Personen, nicht direkt auf den Veloweg treten. In Kopenhagen hat es in den grösseren Strassen immer noch eine zweite Fahrspur, auf der Autos den Bus überholen können. In der schmaleren Dufourstrasse bleibt dafür kein Platz. Damit entstehen an Bushaltestellen Wartezeiten für Autos. Neu wäre das nicht, auch in der aktuellen Ausführung gibt es oft keine Möglichkeit den Bus auf der Dufourstrasse (v.a. Stadtauswärts) zu überholen, da dies Gegenverkehr verunmöglicht. Die Bushaltestellen würden also Besserung für die Velos bringen und höchstens kleine zusätzliche Einschränkungen für den MIV.

Mit der Jurastrasse und der Neumarktstrasse hat die Dufoustrasse zwei grössere Kreuzungen. Hinzu kommen einige Querstrassen. Diejenige mit der Neumarktstrasse wird ohne Ampeln geführt und ist eher unübersichtlich. Alle Kreuzungen sollen neu mit Ampeln geführt werden.

Entlang der Hauptachsen und den grösseren Strassen sind in Kopenhagen eigentlich alle Kreuzungen mit Ampeln geführt. Ampelsysteme haben den Vorteil, dass man mit ihnen den Verkehr rythmisieren kann. Mit Hilfe von Grünen Wellen können sie so den Verkehrsfluss steigern. Zudem erhöhen sie die Sicherheit, indem weniger Missverständnisse entstehen; Vortrittsfragen sind geklärt.

Die beiden grösseren Kreuzungen in der Dufourstrasse würden die Grünphase unabhänig vom Verkehr, der Grünen Welle angepasst,  wechseln. Bei den kleineren Kreuzungen hätte grundsätzlich immer die Hauptrichtung Grün. Der Querverkehr würde mit Sensoren geregelt, die eine Grünphase für den Querverkehr schalten, wenn diese benötigt wird, allerdings so, dass sie in den Takt der Hauptverkehrsrichtung passt. Zum Komfort der Velofahrerinnen können zusätzlich noch Trittbretter mit Geländer aufgestellt werden, sodass diese nicht abstehen müssen.

Teilstück 2: Gartenstrasse – Bahnhof

Schwierigkeiten für Velofahrerinnen in der bestehenden Form

Der Abschnitt der Route ab der Kreuzung Neumarktstrasse ist bislang nicht auf den Durchgangsverkehr ausgelegt. Er führt durch Quartierstrassen und muss dementsprechend für ein erhöhtes Veloverkehrsaufkommen umstrukturiert werden. Die grössten Schwierigkeiten sind das links-Abbiegen von der Dufourstrasse auf die Gartenstrasse, der Rechtsvortritt von Querstrassem in der Gartenstrasse zwischen Quai und AJZ und beim Passieren der Zentralstrasse, die Vermischung mit Fussgängerinnen auf dem Esplanade-Platz und die parkierten Autos entlang der Güterstrasse und der Thomas-Wyttenbach-Strasse.

Konzept für velofreundliche Verkehrsführung auf der Gartenstrasse

Nach der Neumarktkreuzung verändert sich die Verkehrsführung. Von jetzt an teilen sich nur noch Busse, Taxis und Velos die Fahrbahn. Diese ist zu Beginn noch sehr breit, wird nach dem Einbiegen in die Gartenstrasse aber deutlich schmaler, gerade noch 6,5 Meter Strasse bleiben. Hier haben keine zwei Velospuren Platz. Deshalb wird dieser Teil als Velostrasse geführt (siehe Kapitel 7.2. Velostrasse). Dies verändert nicht viel an der Verkehrsführung, wie sie heute ist. Wichtig ist aber, dass deutlich signalisiert wird, dass in diesem Bereich der Veloverkehr Vortritt hat. Gerade um die Bushaltestelle Nidaugasse verlassen oft Fussgängerinnen überraschend das Trottoir, ohne zu schauen, ob ein Velo kommt. Es muss also mit Bodenmarkierung und Schildern deutlich werden, dass die angrenzende Fussgängerzone an der Gartenstrasse endet. So könnte gefährlichen Situationen vorgebeugt werden. Um sie komplettt zu verhindern, braucht es aber auch rücksichtsvolleres und aufmerksameres Verhalten von allen Verkehrsteilnehmern.

Da in der Gartenstrasse neben Velos die Busse nur in einer Richtung fahren, können die Bushaltestellen in diesem Abschnitt am rechten Fahrbahnrand bleiben. Es bleibt genug Platz, sie zu überholen. Die Haltestelle „Bibliothek“ wird allerdings etwas mehr in Richtung Nidaugasse verschoben, damit sie nicht direkt nach der Kreuzung kommt. In der Kurve Dufourstrasse-Gartenstrasse muss die innere Velospur deutlich markiert werden, damit der breite Trolleybus nicht auf die Velospur kommt, die Velofahrerinnen diese aber auch nicht verlassen. Zudem könnte ein Warnhinweis durch ein Schild kritischen Begegnungen vorbeugen.

Bei der Kreuzung des Oberen Quais hat der Verkehr der Gartenstrasse, also die Velos, Vortritt. Solange es wenig Verkehr hat, kann diese Kreuzung ohne Lichtsignal funktionieren. Es sollte oft genug Lücken im Verkehr auf der Gartenstrasse geben, damit die Busse passieren können. Für Stosszeiten kann eine Ampel, die den Verkehr der Gartenstrassse stoppt, sobald ein Bus auf dem Quai die Kreuzung passieren muss, die Wartezeiten für den ÖV vermindern.

Nach dem Quai herrscht auf der Gartenstrasse bereits jetzt Fahrverbot für den MIV bis zur Kontrollstrasse, die sowohl Richtung Westen als auch Richtung Osten mit Einbahnverkehr von der Gartenstrasse wegführt. Eine Vortrittsregelung ist dort also nicht nötig. Bei der nächsten Kreuzung mit der Alexander-Schöni-Strasse, die von beiden Richtungen mit Einbahnverkehr in der Gartenstrasse mündet, müsste wiederum mit Dreiecksmarkierungen der Vortritt der Velofahrerinnen gewährleitet werden. Von dieser Kreuzung aus nach Süden herrscht wieder Fahrverbot für den MIV, das heisst die Gartenstrasse in Richtung Norden ist ebenfalls eine Einbahnstrasse bis zur Kontrollstrasse. Generell ist die Gartenstrasse sehr verkehrsarm. Es fährt fast nur Zubringerverkehr durch dieses Quartier. In diesem Abschnitt ist zudem die Strasse immer nur in einer Richtung für den MIV frei, was zusätzlich für Platz sorgt. Mit der deutlichen Markierung als Velostrasse wird die Gartenstrasse zu einem sicheren Teil einer Verbindung für Velos zwischen Bahnhof und dem Ostteil der Stadt.

Konzept für velofreundliche Verkehrsführung von der Gartenstrasse bis zur Güterstrasse

Da nach der Kreuzung der Gartenstrasse mit der Alexander-Schöni-Strasse Fahrverbot herrscht und die breite Strasse, abgesehen vom Zubringerverkehr nur für Velos und Fussgänger offen ist, hat es genug Platz für einen separaten Veloweg. Dieser wird am westlichen Rand der Gartenstrasse geführt und nach der Kurve beim AJZ auf dem bisher schon für Fussgängerinnen und Velofahrerinnen vorgesehenen Weg. Für diesen Veloweg müsste die Ecke des Rasens kurz vor dem AJZ, die die Strasse kurzzeitig schmaler werden lässt, entfernt werden, um überall die selbe Breite zu ermöglichen. Der ganze Veloweg sollte vom Fussgängerinnenbereich getrennt sein. Durch Bodenmarkierung oder einen Bordstein. Gerade auf dem Esplanadeplatz muss auch bei Anlässen die freie Durchfahrt gewährleistet werden können. Platz hat es überall genug, mit einer minimalen Breite von 5 Metern66, bleibt Platz für einen Veloweg mit Spuren in beide Richtungen mit einer Gesamtbreite von 3 Metern, plus einen zwei Meter breiten Fussgängerbereich.


Konzept für velofreundliche Verkehrsführung auf der Güterstrasse

Die Güterstrasse ist ab dem Kongresshaus bis zur Abzweigung auf die Thomas-Wyttenbach-Strasse eine Einbahnstrasse für den MIV. Aufgrund von Parkplätzen ist die Strasse, vor allem zwischen der Murtenstrasse und der Wyttenbach-Strasse sehr eng. Die Parkplätze müssen also weg, der Einbahnverkehr bleibt aber bestehen. Wie die Gartenstrasse wird auch die Güterstrasse zu einer Velostrasse. Bei der Kurve in die Wyttenbach-Strasse geniesst der Veloverkehr Vortritt, auch wenn er links abbiegt; der Verkehr vom Guisanplatz her muss warten.

Die Güterstrasse wird von der Murtenstrasse gekreuzt. Der Kreisel bleibt bestehen, wird aber dem Veloverkehr angepasst (siehe Kapitel 7.3. Kreisverkehr). Er wird aussen mit farbiger Bodenmarkierung für den Veloverkehr gekennzeichnet. Der Baum und die Hecke in der nördlichen Ecke, müssen entfernt werden, um die Sicht bei der Anfahrt zu verbessern.

Konzept für velofreundliche Verkehrsführung auf der Thomas-Wyttenbach-Strasse

Nach der Güterstrasse ändert sich auch auf der anschliessenden Thomas-Wyttenbach-Strasse wenig: Die am Strassenrand parkierten Autos machen zugunsten der Velosicherheit Platz, die Velostrasse geniesst in beiden Richtungen Vortritt. Wie in allen Velostrassen gilt Tempolimit 30km/h für den MIV. Um die Johann-Veresius-Strasse mit allen Bussen sicher überqueren zu können, wird hier eine Kreuzung mit Ampeln eingerichtet, die nach demselben Prinzip funktioniert, wie diejenigen an der Dufoustrasse.

Die Route würde dem Veloverkehr in dieser Form dienen. Die Begleiteffekte einer solchen Änderung sind natürlich nicht zu vernachlässigen. Dementsprechend wurden auch Ideen für Einbahnstrassen entlang der Route oder die neue Führung der Busse vorgelegt. Ob diese Ideen praktisch auch umsetzbar sind, beispielsweise, ob die Trolleybusse auch an einem anderen Ort über die Schüss kämen als an der Gartenstrasse, ist allerdings nicht garantiert. Es handelt sich um Vorschläge, die durch Fachpersonen zu überprüfen sind. Jede Änderung der Verkehrsführung (z.B. neue Einbahnstrasse) verändert den Verkehrsfluss und zieht damit weitere Anpassungen nach sich. Darum wäre im Falle einer Umsetzung ein Gesamtkonzept nötig, welches den Rahmen dieser Maturarbeit gesprengt hätte.

Die Route und der MIV

Die geplante Route hat aus bestehenden Strassen beonders velofreundliche Strassen gemacht. Strassen und Routen in dieser Form können Menschen dazu animieren, auf das Velo zu steigen. Einerseits ist es sicherer als vorher und zudem schneller als jedes andere Verkehrsmittel in der Stadt. „Opfer“ müsste für die Realisierung dieser Route der Autoverkehr erbringen. Ihm würden Spuren entzogen und es gäbe weniger Parkplätze. Kurzfristig würde sich damit einiges verändern und auch für Ärger bei Autofahrern sorgen. Es lohnt sich aber, folgende einfache Gedankengänge zu machen:

Auch wenn durch die Route 100 Parkplätze weniger am Strassenrand zur Verfügung stehen, muss auf längere Sicht kein Mangel an Parkplätzen entstehen, wenn dafür dank besserer Veloinfrastruktur 100 Leute auf das Velo umsteigen.

Neue, verbesserte Veloinfrastruktur in Städten geht immer auf Kosten des MIV. Es ist nicht mehr Platz da, als es bestehende Gebäude erlauben. Strassen haben somit das grösste Optimierungspotenzial. Am Ende profitiert auch der MIV von einer besseren Veloinfrastruktur. Es ist in seinem Interesse, dass das Velofahren und damit der gesamte Verkehr sicherer wird.

Mit der Zunahme des Anteils des Veloverkehrs nimmt der MIV ab, was auch den Autofahrerinnen mehr Platz gibt. Die Erfahrung in Kopenhagen hat gezeigt, dass nicht nur der Veloverkehr besser läuft, sondern auch Autos weniger im Stau standen. Sie profitieren also ebenfalls von den Veränderungen.

Das Ziel ist schlussendlich, eine möglichst nachhaltige Lösung für das Verkehrsproblem in Städten mit Stau, Unfällen, Lärm und Abgas zu finden. Davon profitiert die Stadtbevölkerung, egal ob Autofahrerin, ÖV-Nutzerin oder Velofahrerin.

Das Routennetz

Wie im Kapitel 7.4. erwähnt, funktionieren einzelne Velorouten nur, wenn sie einem System von Routen angeschlossen sind. Mit einem gut geplanten Routennetz lassen sich zudem der Verkehr sehr gut lenken und damit kleinere Strassen auch vom Veloverkehr entlasten. Es muss darauf geachtet werden, dass möglichst viel Weg auf den gut ausgebauten Hauptverkehrsachsen gefahren wird und die anderen Strassen lediglich als Zubringer dienen. Das gilt beim Veloverkehr genauso wie beim MIV.

Biel ist eine Ost- West gerichtete Stadt. Das ist in erster Linie dem Jura geschuldet, der die Stadt gegen Norden begrenzt. Im Stadtinnern sind darum die grossen Strassen ebenfalls Ost-West gerichtet. Die grössten sind die Seevorstadt im Westen, die im Osten als Bözingenstrasse aus der Stadt herausführt und die Gurnigelstrasse, die zur Madretschstrasse und später zur Mett- und Orpundstrasse wird. Sie begrenzen den Kern der Stadt Richtung Norden und Süden. In der selben Richtung, aber mitten durch die Stadt verlaufen die Dufourstrasse und der Quai der Schüss entlang. Für ein Routennetz an Velowegen und -strassen werden alle diese Strassen ebenfalls als Hauptverkehrsachsen benutzt. Sie sind ähnlich ausgebaut wie die Dufourstrasse, sollen also auch grösseren Mengen an Velofahrerinnen Platz bieten. Die Ost-West Routen werden mit drei ebensogrossen Nord-Süd-Achsen verbunden. Eine an der Ländtestrasse beim See, eine vom Heilmann-Platz entlang der Jurastrasse bis zum Brühlplatz und eine auf der Schlösslistrasse und Mühlestrasse. Entlang den Hauptachsen sollen viele Velos schnell und sicher fahren können. Auf den grossen Strassen haben sie eine eigene Spur. Diese Routen sind auf der Karte rot eingefärbt.

Blau eingefärbt sind die etwas kleineren Routen, die den Veloverkehr aus den verschiedenen Quartieren auf die Hauptachsen führen. Auch sie haben wenn möglich eigene Velospuren oder werden als Velostrassen geführt. Die einzelnen Quartierstrassen sind in der Karte nicht gekennzeichnet. Auch dort können noch mehr Velostrassen erstellt werden. Viele von den ganz kleinen Strassen sind aber sowieso genug verkehrsarm, so dass es keine spezielle Priorisierung des Veloverkehrs braucht.

Das Ziel dieses Routenkonzeptes ist es, dass man mit möglichst wenig Richtungsänderungen von A nach B fährt. Vom Startpunkt auf schnellstem Weg auf die nächste grössere Route, auf dieser, eventuell via andere grosse Routen, so nahe wie möglich ans Ziel. Das funktioniert nur, wenn es die entsprechenden Routen gibt, ansonsten finden die Velofahrerinnen einen „eigenen“ schnelleren Weg – oder man fährt gar nicht erst Velo.

 

Fazit zur Velostadt Biel

In Biel nimmt das Velo aktuell einen kleinen Anteil am Gesamtverkehr ein. Mit ein Grund dafür ist, dass die Bieler Strassen nicht velofreundlich gebaut sind und das Velo einen zu wenig hohen Stellenwert geniesst. Das ging aus der Umfrage von Pro Velo Schweiz hervor. Das Velofahren wird in Biel weder als komfortabel noch als sicher bezeichnet und so überraschen auch die mageren Zahlen an Velofahrerinnen nicht.

Biel kann aber zu einer Velostadt werden, weil das jede Stadt kann. Nicht einmal Steigungen können eine Stadt auf dem Weg zur Velostadt bremsen, dank E-Bikes. Um eine Velostadt zu werden, braucht Biel mehr velospezifische Infrastruktur. Da kann und muss man unbedingt von jenen Städten profitieren, die diese bereits eingerichtet haben. Der Erfolg gibt ihnen Recht. Viele Dinge, die Kopenhagen als Velostadt gemacht hat und immer noch entwickelt, würden auch in Biel Wirkung zeigen.

Ein Routennetz wie im vorangehenden Kapitel beschrieben, mit einer Veloinfrastruktur entsprechend der im Routenkonzept eingeführten, könnten dafür sorgen, dass Biel zu einer Velostadt wird. Die vorgeschlagenen Massnahmen hätten zwar einen grossen Einfluss auf Verkehr und Stadtbild und würden beides verändern. Sie sind aber nicht utopisch, weder in der praktischen Umsetzung, noch finanziell. Es braucht aber den Willen, die Stadt wesentlich zu verändern und das Verkehrsproblem nicht nur mit kleinen Massnahmen einzudämmen, sondern von Grund auf neu anzugehen.

Das mit einem solchen Umdenken eine Stadt zu einer Velostadt werden kann, hat Kopenhagen schon im 20. Jahrhundert gezeigt. Biel ist kleiner als Kopenhagen. Es werden vielleicht keine neuen Velobrücken gebaut. Trotzdem kann die Stadt viel von Kopenhagen abschauen und in das hiesige Verkehrsnetz einbringen.

Was nicht im Konzept dieser Route Platz gefunden hat und in dieser Arbeit weniger thematisiert wurde, sind Massnahmen, die velofördernde bauliche Veränderungen begleiten. Mehr Velos brauchen mehr Abstellplätze, die in einer Velostadt zur Verfügung stehen müssten. Der öffentliche Regionalverkehr müsste sich den Veränderungen anpassen und mehr Mitnahmemöglichkeiten bieten. All das verlangt selbst wiederum eigene Konzepte.

Für eine Velostadt reichen alleine bauliche Veränderungen nicht, sie bilden die Grundlage. Damit die neue Infrastruktur genutzt wird, muss der Veloverkehr einen höheren Stellenwert einnehmen, beispielsweise beim Markieren von Baustellen oder bei der Schneeräumung im Winter.

Das Velo muss sich als praktischstes Verkehrsmittel in der Stadt präsentieren und als dieses auch gefördert werden. Förderprogramme an Schulen, mehr und billigere Mitnahmemöglichkeiten im Regionalverkehr und Kommunikation über neu realisierte Projekte sollen das Velo für den Alltag schmackhaft machen. Das Velo muss wieder als praktisches und sicheres Verkehrsmittel gelten und nicht nur als Hobby oder Verkehrsmittel für Sportliche.

Und sollte man diesen Schritt zur Veränderung wagen, wenn Velostrassen gebaut, Velospuren Platz gemacht und die Ampeln für Velos auf grün gestellt werden, wenn am Morgen an der Dufourstrasse zwanzig Velos gleichzeitig an einer Ampel warten, wenn alle mit dem Velo ins Fussballtraining fahren und Eltern Kinder und Einkäufe mit dem Velo durch die Stadt gondeln, dann ist auch Biel eine Velostadt.

Janosch Szabo, Mitherausgeber der Vision 2035 und Koordinator dieser Ausgabe, ist selbst begeisterter Velofahrer. Er liefert in Biel Konfis, Süssmost, Tomatensetzlinge, die Visions-Zeitung und noch Vieles mehr mit Velo aus – und fühlt sich dabei vor allem zwischen Innenstadt und Mett oft alleine auf der Drahteselspur. Ganz anders in Bern, der Velohauptstadt schlechthin. 

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