«Plus chaud que le climat» ist ein berührender Dokfilm über die Klimajugend – und eine durch und durch lokale Produktion. Zwei Bieler haben ihn realisiert, fünf Bieler Jugendliche sind in den Hauptrollen. Am Festival du Film Français d’Hélvétie feierte der als Fernsehfilm konzipierte Streifen vor vollen Rängen Premiere und erntete am Ende gar partielle Standing Ovations. Ein Gespräch mit Co-Regisseur Adrien Bordone.
Wie fühlt es sich an, jetzt da der Film fertig ist und du und Co-Regisseur Bastien Bösiger ihn ein erstes Mal zeigen konntet?
Das Interesse der Leute am Film freut mich sehr. Es macht Lust, ihn noch an vielen weiteren Orten zu zeigen und vor allem auch die Diskussion, die Reflektion und die Debatte über das, was er zeigt, anzuregen. Die Frage ist doch: wie machen wir in der Realität weiter? Das ist, was mich umtreibt und was wir mit dem Film auslösen wollten. Bis wohin bin ich mit den Jugendlichen einig oder auch nicht? Was ist meine eigene Position? Der Film berührt ganz offensichtlich die Menschen auch auf emotionaler Ebene. Das haben wir diverse Reaktionen gezeigt.
Ging mir auch so. Die Jugendlichen berühren in ihrer Art, wie sie sich ausdrücken. Warum gerade diese fünf Jugendlichen?
Die erste, über die wir zum Thema gekommen sind, ist Jeanne. Für sie ist das Engagement fürs Klima eine tägliche Angelegenheit, es ist Teil ihrer Persönlichkeit. Sie ist sehr besorgt um die Zukunft unseres Planeten. Dazu kommen vier Jugendliche, die sich in unterschiedlicher Art engagieren. Da ist Marc, der eher rationell und mit Vernunft agiert. Dann Nina, die super engagiert ist auf verschiedenen Niveaus und sich wortgewandt ausdrückt. Fabio, der sich in erster Linie für die Politik interessiert, und Léa mit viel Freude am Engagement im Moment.
Regisseur Adrien Bordone zur Organisation der Jugendlichen des Klimastreiks: «Ihre Sitzungen waren sehr erwachsen, wirklich beeindruckend»
Wie liefen die Dreharbeiten mit ihnen?
Gut. Es entstand rasch ein Vertrauensverhältnis. Der Film ist ja auch respektvoll und wohlwollend, auch wenn wir die Jugendlichen zwischendurch herausfordern. Wir haben versucht, sie in Frage zu stellen, sie sich selber aber auch. Auf jeden Fall haben wir Persönlichkeiten kennen gelernt, die uns beeindruckt und bereichert haben. Wir haben viel gelernt. Deshalb liebe ich auch Dokumentarfilme so sehr.
Auch in deinen letzten beiden Filmen «Après l’hiver» (2015) und Alexia, Kevin & Romain (2019) waren jeweils Jugendliche die Protagonisten. Warum?
Es ist ein spannendes Alter mit einer speziellen Energie, so zwischen 16 und 18 Jahre. Da stellen sich Fragen: Was will ich werden, habe ich Angst, freue ich mich? Weichen werden gestellt. Alles dreht sich um die Zukunft. So auch bei den Jugendlichen im aktuellen Film, die sich ja sehr um die Zukunft sorgen, nicht nur die persönliche sondern auch die unseres Planeten. Bleiben sie dran, oder entscheiden sie sich für ein Studium? Eine meiner Hauptfragen war: Wie kann man eine Bewegung, einmal lanciert über längere Zeit weiterführen? Wie kann man die Energie hochhalten?
Hast du darauf eine Antwort erhalten?
Insofern, als dass eine der Möglichkeit ist, sich aktiv in der Politik zu engagieren, ja. Das jedenfalls haben mehrere der Jugendlichen gemacht und sind unterdessen der Juso Biel beigetreten.
Jeanne, die junge Frau, mit der der Film seinen Lauf nahm. Hier bei einer Demo-Rede auf dem Zentralplatz.
Was hat dich während der Dreharbeiten am meisten überrascht?
Es hat mich erstaunt, wie seriös die Jugendlichen diese Klimastreiks angegangen sind. Ihre Sitzungen waren sehr erwachsen, wirklich beeindruckend. Mit 16 hätte ich doch noch nicht gewusst, was man alles tun muss, um eine Demo durchzuführen. Da habe ich mit Freunden Fussball gespielt. Aber diese Jugendlichen sind, wenn auch emotional und körperlich ganz normal in der Entwicklung so doch intellektuell sehr reif.
Haben sie sich während der Dreharbeiten für den Film verändert?
Ja, anfangs waren sie ängstlich und doch noch eher Kinder, die nicht genau wussten, wohin es geht. Dann wurden sie erwachsen, selbstsicherer und bereit, ihre Ideen wortgewandt zu verteidigen. Es war spannend zu merken, wie sie einem plötzlich auf Augenhöhe begegnet sind. Gegen Ende des Films haben sie zudem viel besser gesprochen. Sich engagierend lernt man so viel dazu. Aber auch der Film selbst hat sie, glaube ich, weitergebracht.
Ihr wolltet ursprünglich einen Film über die Bieler Transitionbewegung machen. Wie ist es dann zu «Plus chaud que le climat» gekommen?
Via Jeannes Mutter, die ich schon kannte, bin ich auf dieses engagierte Mädchen aufmerksam geworden. Jeanne hat mich mit ihrer Art des Engagements sofort berührt, ich habe gespürt, dass sie zu allem bereit ist, um gehört zu werden und Einfluss zu nehmen. Und dann, als wir zum ersten Mal mit ihr an eine Sitzung der Bieler Klimastreikbewegung mitgegangen sind, wurde uns sofort klar: da passiert etwas Wichtiges, etwas, das es zu archivieren und zu zeigen gilt. So nahm der Film seinen Lauf ohne genaues Konzept, sondern auf das Geschehen reagierend. Unser Vorteil war, dass wir beide in Biel leben und arbeiten und so rasch reagieren können. Wenn sich etwas bewegte, waren wir vor Ort. Das Geld haben wir nachher gesucht.
Der Film ist als Fernsehfilm konzipiert. Wie kam es dazu?
Die Idee war von Anfang an, einen Film für die breite Öffentlichkeit zu machen. Und da ist das Fernsehen natürlich das ideale Medium. Ziel war es, mit einem Film, der von allen gesehen werden kann, zur Diskussion anzuregen. Darüber hinaus arbeiten wir seit mehreren Jahren gut und gerne mit dem Westschweizer Fernsehen RTS zusammen, das unsere Projekte unterstützt.
Glaubst du, dass die Klimajugend wirklich etwas verändern kann?
Ein Glück auf jeden Fall, dass sie da ist, sonst wüsste ich nicht, ob ich Hoffnung hätte. Die engagierten Jugendlichen appellieren und inspirieren, aber ich zähle nicht auf sie, um die Klima-Probleme zu lösen. Damit sich wirklich etwas ändert, müssen wir die 10 Prozent Reichsten dieser Welt erreichen und zum handeln bringen.
Was ist das nächste Projekt?
Einen Film zu realisieren, braucht vom Drehbuch schreiben, über die Dreharbeiten und die Montage bis hin zur Geldsuche immer viel Zeit. Ich habe zwar schon verschiedene Ideen, aber es ist noch zu früh, um sagen zu können, welche davon ich anpacken werde. Sicher ist, dass ich mich weiterhin für die Anliegen, die mir wichtig sind, engagiere und die Menschen, die ich liebe, in den Mittelpunkt stelle.
Adrien Bordone, geboren 1987 in Biel, hat eine doppelte Ausbildung in den Bereichen Kino und Philosophie. Nach einem Bachelor-Abschluss an der Ecole cantonale d’art de Lausanne (2010) studierte er Philosophie und Filmtheorie an der Universität Lausanne (2013), bevor er sein Master-Studium an der Universität Zürich abschloss (2017). Er drehte mehrere Dokumentarfilme für Radio Télévision Suisse und das Kino, darunter Après l’hiver (2015) und Alexia, Kevin & Romain (2019), und schreibt eine Dissertation in Philosophie und Filmwissenschaft an der Universität Lausanne. Seit 2010 arbeitet er zusammen mit seinem Filmpartner Bastien Bösiger als Filmemacher bei À Travers Champs in Biel.
www.atraverschamps.ch
Im Kino und TV
Der Film im Kino und am Fernsehen «Plus chaud que le climat» wird an folgenden Tagen gezeigt: 1. November um 22:40 Uhr auf SRF 1 9. November um 18 Uhr im Kino Rex, mit folgenden Gästen Glenda Gonzales Bassi (PS), Natasha Pittet (PLR) und Lena Frank (Verts) 19. November um 18 Uhr im Kino Rex, mit Ernst Zürcher (Wissenschaftler und Baumspezialist) 14. Januar 2021 um 18 Uhr im Kino Rex 2, mit der reformierten Kirchgemeinde Biel